Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
heißt, dass er auszieht. Sein Freund habe ein Haus in der Stadt gekauft. Darin würde er wohnen, bis wir »alles geregelt haben«. Ich sitze wie vor den Kopf geschlagen in meinem Arbeitszimmer, starre auf den Bildschirm und versuche, das zu verarbeiten.
Dann höre ich wieder die Stimme der Erleuchtung. Allerdings sagt sie diesmal: Vertrau mir. Geh es langsam an.
Kurz darauf sitze ich mit einer anderen speziellen Freundin auf deren Veranda. Diese Frau hat zwei Ehemänner verloren – einen bei einem Unfall bei Holzfällarbeiten, den anderen an den Alkohol. Sie rät mir: »Du darfst nicht in Panik geraten. Denn wenn dir das passiert, kannst du gar nichts mehr erreichen.«
»Ich weiß. Aber ich bin doch auch eine starke Frau, oder? Ich kann ihn doch wenigstens in die richtige Richtung lenken. Mit inspirierenden E-Mails über Hubschrauber, Abenteuer und Therapeuten … das kann ich doch, nicht wahr? Ich kann noch an Wunder glauben. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich noch an meinen Mann glaube.«
»Warum konzentrierst du dich nicht darauf, im Moment nur dich selbst zu lenken?«
»Und wenn es da eine andere Frau gibt?«, jammere ich und weiß, dass ich damit gegen meine eigene Überzeugung verstoße.
»Steiger dich da nicht hinein«, sagt sie streng. »Das tut dir absolut nicht gut.«
Ich versuche zuzulassen, dass ihre Worte sich lindernd auf die Wunde legen, die beständig neu aufbrechen will. »Ich wünschte nur, er würde eine Therapie beginnen.«
»Zu dieser Einsicht muss er kommen, Laura«, sagt sie fast schon in scharfem Ton, der mir zu verstehen gibt, ich solle mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern. Sie war jahrelang bei den Angehörigen der Anonymen Alkoholiker und weiß genau, was ihre Angelegenheit ist und was nicht. Deshalb habe ich mich ja auch entschlossen, ihr zu erzählen, was mit meinem Mann los ist. Sie besitzt die Fähigkeit, mir zu helfen, durch dieses Dilemma durchzukommen, wozu einige meiner engsten Vertrauten nicht imstande wären.
Trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen, ihm einen Brief zu mailen, in dem steht, dass ich ihn liebe und an ihn glaube und der Überzeugung bin, er brauche Hilfe, und dass ich einen tollen Therapeuten wüsste. Ich nenne ihm den Namen und die Telefonnummer. Dieses Risiko bin ich bereit einzugehen. Anrufen muss er dort allerdings selbst. Ich beende die E-Mail mit dem Satz: »Deine Seele schreit förmlich danach, dass Du Dich eingehend um sie kümmerst.«
»Ja, vielleicht«, mailt er zurück. Aber kein Wort über den Therapeuten.
Ich erzähle meiner Therapeutin, dass er in die Stadt ziehen will. Sie rollt mit den Augen. Bestimmt hat sie schon die eine oder andere hässliche Scheidung miterlebt, und offenbar fängt es immer so an, dass der Typ sich eine eigene Wohnung in der Stadt sucht. »Können Sie ihm stattdessen nicht vorschlagen, dass er für eine Weile allein verreist?«
»Das habe ich schon. Er sagt, er könne es sich nicht leisten, so lange Urlaub zu nehmen. Und er sagt, es sei zu teuer. Was soll ich da noch sagen? Ich fühle mich so hilflos, wenn ich das alles einfach über mich ergehen lasse.«
Sie greift in einen Ordner und zieht ein Blatt Papier heraus. »Stellen Sie keinerlei Forderungen, aber geben Sie ihm das hier. Und nehmen Sie sich eine Minute, um es sich jetzt gleich durchzulesen.«
Sie hat es von der Website Divorce.com. Es ist eine Liste all der Dinge, die ein Paar im Rahmen einer verantwortungsvollen Trennung zu entscheiden hat. Punkte wie Wer benutzt welche Kreditkarte? Oder: Wenn du mein Haus betreten hast, dann hinterlass mir dazu eine Nachricht auf einer Tafel; natürlich nur, wenn ich dir die Schlüssel gegeben habe .
»Ich weiß nicht einmal, wo mein Hausschlüssel ist!«
Diese Liste versetzt mich in Panik. Sind wir wirklich schon so weit? Muss man nicht erst noch eine Menge viel schlimmerer Dinge durchgemacht haben, bevor es diese Fragen zu beantworten gilt? Ich habe doch noch nicht mal einen Teller nach ihm geworfen! Oder einen Koffer gepackt und wutschnaubend für ein Wochenende das Haus verlassen. Ich habe ihm nie gesagt, ich würde ihn hassen. Ich hasse ihn auch nicht. Ich liebe ihn. (Vielleicht habe ich ihn ein paarmal als verdammten Vollidioten beschimpft, aber passiert das nicht jedem mal?)
»Ich glaube, wir haben vorher noch so viele Möglichkeiten«, sage ich zu ihr. »Mir kommt es vor, als hätte er noch nicht einmal ernsthaft versucht, um unsere Ehe zu kämpfen. Er hat mich nur in diesen elenden Pfuhl
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