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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Mundson
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machen. Und ihre Sorge fiele als Last auf mich zurück. Ich brauche eher jemand, mit dem ich mich hier vor Ort zusammensetzen kann und der sich das Ganze nicht so zu Herzen nimmt. Jemand wie meine Freundin in Wisconsin, die sich kein Urteil über mich oder ihn erlaubt, die mich umarmt und mir zuhört, wenn mir nach Reden zumute ist, und mich in Ruhe lässt, wenn nicht.
    Da fällt mir genau der richtige Mensch dafür ein. Meine Freundin, die so viel von Pferden versteht und bei der mein Pferd eingestellt ist. Die beiden zusammen wären jetzt wohl
die perfekte Medizin für mich. Plötzlich sehne ich mich ungemein nach meinem Pferd. Ich möchte meinen Blick in seine Augen versenken wie in eine Kristallkugel, seine samtige Nase in meiner Hand spüren.
    Während ich zu ihrem Haus fahre, denke ich über ihr Leben nach. Sie wuchs in erbärmlicher Armut auf. Als Schlüsselkind einer achtköpfigen Familie, die in einem Einzimmerhaus ohne Strom und fließendes Wasser hauste. Ihre Schuhe waren löchrig. Wenn der Pick-up der Familie mal wieder streikte, ritt sie auf dem Pferd in die Stadt.
    Als ich nach Montana kam, wagte ich Leuten wie ihr nichts von meiner Herkunft zu erzählen. Wie hätten sie mich oder meine Gefühle für authentisch halten sollen? Jede meiner Äußerungen wäre davon verzerrt oder beeinträchtigt worden. Und so, wie ich mich in den Kreisen, in denen ich meine Jugend verbrachte, gern als verträumte Künstlerin gab, so wollte ich auch in Montana als eine andere auftreten.
    Diese Frau lehrte mich jedoch, dass es nur eine Wahrheit gibt. Schmerz ist Schmerz. Mitgefühl ist Mitgefühl. Und das menschliche Herz diskriminiert niemanden. Das tut nur unser Verstand.
    Ich beschloss, sie an diesem Abend daran zu erinnern, was sie mir beigebracht hatte. Und ich nahm mir vor, dass mein Besuch von Dankbarkeit und Zuneigung herrühren sollte. Dass ich meine Probleme nicht bei ihr abladen würde, auch wenn sie eine der besten Zuhörerinnen ist, die ich kenne. Aber ich will endlich auch einmal Abstand zu meiner ehelichen Zerreißprobe gewinnen, selbst wenn es nur für ein paar Stunden ist.
    Sie begrüßt mich auf ihrer Veranda mit einer Umarmung. Mit scharfem Blick bemerkt sie dabei sogleich, dass ich bekümmert bin. »Du siehst aus, als könntest du einen Ausritt in die Wälder vertragen«, sagt sie.

    Die Sonne steht noch hoch am Himmel, und ich rufe zu Hause an, um meinem Mann Bescheid zu geben. Denn sie hat recht. Einen Ausritt in die Wälder brauche ich dringender denn je.
    »Willst du dein Abendessen nicht?« Er klingt seltsam ungläubig. Aber ich weiß, dass das weniger mit meiner Abwesenheit, sondern eher mit dem Verschwenden von Geld, das wir eigentlich nicht besitzen, zu tun hat.
    »Stell es mir in den Kühlschrank. Ich werde in ein paar Stunden da sein. Jetzt brauche ich noch etwas frische Luft.« Ich finde das ziemlich harmlos ausgedrückt. Denn ich brauche wirklich mal eine Auszeit. Von all diesen Gefühlen und Gedanken. Und ich weiß, dass diese Vierbeiner perfekt sind, um meine Panik zu vertreiben.
    Als wir unsere Pferde satteln, sie ihren schwarzen Araber und ich mein rotbraunes Morgan Horse, klimpern Windglockenspiele im Hintergrund und Perlhühner gackern. »Ich möchte mich bei dir für etwas bedanken, das du mir einmal gesagt hast. Auf einer Reitwanderung vor ein paar Jahren. Es war Herbst, und wir sind die Salish Mountains hinaufgeritten. Die Espen standen damals in Flammen. Und wir sprachen über Liebenswürdigkeit und Scham. Erinnerst du dich?«
    Sie lächelt. »Natürlich tue ich das. Das werde ich niemals vergessen.« Bei ihr muss man nicht lange um den heißen Brei herumreden, und sie ist sehr einfühlsam.
    »Du hast mir an jenem Tag ein Geschenk gemacht, und ich wette, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ungeheuer viel es mir bedeutet hat.« Ich steige auf mein Pferd und bin erleichtert, den vertrauten Körper unter mir zu spüren.
    »Ein Geschenk?«
    »Ja. Du hast mir damals ein paar sehr persönliche Dinge anvertraut. Stört’s dich, wenn ich davon anfange?«

    »Kein bisschen.«
    »Du hast mir berichtet, wie du dich als Kind für euer Haus, deine Schuhe, deine Kleider und für die Tatsache, dass ihr arm wart, geschämt hast.« Ich schaue sie prüfend an, um zu sehen, ob es ihr tatsächlich nichts ausmacht.
    Ihre Augen blinzeln mir strahlend zu, und sie sitzt ebenfalls auf. »Das war kurz nach dem Tod deines Vaters. Erinnerst du dich an die Eule, die damals so dicht vor uns aufflog? Ich

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