Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
doch Wochenende. Wir könnten eine Wanderung im Glacier National Park machen. Oder den Mangold ernten, den wir am Muttertag gepflanzt haben. Oder unsere violetten Kartoffeln. Außerdem sind schon Bohnen reif!
Aber ich trockne mich nur langsam ab, spüre die Bürste über meine Kopfhaut schrappen und die Seide der schlabbrigen Pyjamahose, die ich wieder anziehe. Denn verdammt
noch mal, er wird ja nicht da sein. Also kann ich mit meinen Kindern rumgammeln und dabei aussehen, wie ich will.
Ich höre sein Auto wegfahren.
Unten schauen sich die Kinder Zeichentrickfilme im Fernsehen an. Sie zwitschern im Chor: »Dad ist zum Golfen! Sollen wir dir sagen.« Und es klingt, als würden sie sich ehrlich für ihn freuen. Ich bin stolz, dass sie noch keine Verlassensängste zu kennen scheinen. Noch nicht.
Nachdem ich den Tag auf der stickigen Veranda an eine Citronella-Kerze geschmiegt und mit jeder Mücke, die je das Licht der Welt erblickt hat, verbracht habe (weil die Tür zu unserer Mückenschutzverkleidung rund um die Veranda seit sieben Jahren zerbrochen ist) und nach zwei Runden Monopoly, als die Kinder und ich bereits Geld aus der Bank klauen und uns anschließend sogar damit bewerfen, da ruft er an und vermeldet, er sei nun fertig mit Golfen. Er würde jetzt auf den Bauernmarkt fahren. Mein Territorium.
Ich sage ihm, wir hätten auch vor, hinzukommen. Wir brauchen Tomatensetzlinge. Diese Bemerkung hat ebenso viel mit unserer Zukunft zu tun wie mit den Tomaten selbst. Am Vortag habe ich gesehen, wie er den Pflaumenbaum goss. Also sieht er doch noch eine Zukunft für uns, nicht wahr?
»Wir könnten uns dort treffen«, sage ich. Fünf ängstliche kleine Wörter.
»Oh«, macht er nur und klingt nicht, als hätte er Lust auf einen gemeinsamen Bummel über den Markt. »Vielleicht fahre ich auch direkt zum See.«
Ich möchte auch, dass er an einen See fährt … in Australien.
Ich wünsche mir, dass er den Kopf schüttelt, wie ein Hund, der aus einem See auftaucht, und sagt: Du hast recht. Das war eine bescheuerte Idee. Ich habe Mist gebaut. Ich liebe dich. Das Leben, das wir hier führen, ist so kostbar. Und der 4. Juli
steht vor der Tür. Du liebst doch den 4. Juli. Das war der Lieblingsfeiertag deines Vaters, und das spült die ganzen Erinnerungen hoch. Wir werden zur Parade gehen und uns alle liebhaben, und ich werde dich ansehen und dich lieben, wie ich dich nie zuvor angesehen und geliebt habe. Es wird alles wieder gut sein mit uns. Wir werden zusammen alt, und wir werden durch die Weltgeschichte reisen, wie wir es uns mit zwanzig vorgenommen haben, und wir werden nach Italien fahren, und ich werde mit deinem italienischen Vater zusammensitzen und etwas über Nägel und Familieninitialen lernen. Und über Arbeit, die man in die Hand nehmen kann. Und darüber, wie Ehemänner die Liebe zu ihren Frauen bewahren, indem sie zuerst für ihren eigenen Seelenfrieden sorgen.
Ich wünsche mir, dass er sich mit beiden Daumen Tränen aus den Augen wischt.
Die supercoole Gattin
Juli.
Es gibt keine Zufälle. Das muss ich nun ein für alle Mal glauben. Das ist meine Chance.
Es ist also kein Zufall, dass ich eine Freundin habe, deren Mann gerade eine Helikopterschule eröffnet hat. Nur ein Stück die Straße vor unserem Haus hinunter. Wirklich nur einen Steinwurf entfernt. Wie ich vielleicht schon erwähnt habe, träumt mein Mann, schon seit ich ihn kenne, vom Hubschrauberfliegen, also seit zwanzig Jahren.
Ich lasse ihm die Info per E-Mail zukommen – wie einem alten Kumpel – wie das Mädchen, das er vor zwei Jahrzehnten auf der Fassbier-Party kennengelernt hat.
»Hey, Kumpel – du hast bestimmt schon von der Heli-Schule gehört, die gerade aufgemacht hat. Der Mann meiner Freundin betreibt sie. Am Wochenende soll es eine Hubschrauber-Schau an der Kreuzung von Highway und Route 40 geben. Sie werden Viersitzer dahaben und diese kleinen Schweizer. Erinnerst du dich an deinen Traum vor langer Zeit – von Heliskiing-Trips in die Rockies??? Nun, voilà. Ich würde sagen: Mach’s!«
Dann wartet man auf eine Antwortmail, in der er schreibt, er glaube, das könne sein Ausweg sein. Hubschrauber fliegen. Professionell. Oder auch nur als Hobby. Man schlägt ihm vor, dass er das Schlagzeug einpackt, das er gekauft, aber nie aufgebaut hat – quasi als Trommelwirbel zu Beginn seiner Heliflieger-Laufbahn. Und dann irgendwo landen und ordentlich auf die Tonne kloppen.
Stattdessen erhalte ich eine E-Mail von ihm, in der es
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