Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
auf Augenhöhe. Der es gut mit sich selbst meint. Und mit mir.
Eine Minute lang fühle ich mich ganz in Ordnung. Ich habe mir gut zugeredet. Ich habe fast meine italienische Verfassung erreicht.
Aber dann falle ich wieder um: Es geht ja nicht nur um ihn. Er nimmt unsere ganze Familie mit hinaus auf diese stürmische See.
Mein Gott. Was soll bloß aus uns werden? (Panik.)
Ich sitze in meinem Geländewagen, kurz davor, die Nerven zu verlieren. Ich beginne mir das auszumalen: Ich allein, mitten im Winter, meine Kinder »sind bei ihrem Dad«, wie man das auf dem Schulhof immer wieder sagen hört.
Das wird mir nicht passieren! So wird die Kindheit meiner Kinder nicht aussehen! Und was, wenn ich dann ganz allein bleibe? Wie soll ich mitten in diesem gottverlassenen Montana jemand Neuen finden? Ich bin schließlich nicht mehr jung und knusprig. O mein Gott, ich werde einsam sterben! Das Haus verlieren. In irgendeiner dreckigen kleinen Bude in der Stadt hausen. Ich werde mein Pferd verkaufen müssen. Einen rostigen alten Subaru fahren. Er wird dagegen eine andere heiraten … eine mit Geld. Sie lernen sich auf einer Party nach einem Golfturnier kennen. Die Kinder werden sie lieber
mögen. Weil sie ihnen Schnickschnack bietet, wie Fernseher im Auto und Doughnuts zum Frühstück. Sie wird sie niemals zwingen, ihre Karotten aufzuessen! Oder den Hund zu füttern. Sie wird auch tolle Haare haben. Meine Tochter wird es lieben, sie ihr zu flechten. Und mein Sohn wird ihre weichen, collagengepolsterten Küsse mögen.
Das Biest – es beginnt in mir zu brüllen und zu toben und seine Ketten zu zerreißen. Dieses alte Biest, das ich schon erlegt zu haben glaubte. Es macht mir Angst, dass es noch am Leben ist.
Deshalb ziehe ich Närrin mich wieder dorthin zurück, wo ich mich auch nach dem Tod meines Vaters verkrochen habe. Und dann trinke ich, als alle schon schlafen, viel zu viel Rotwein und heule mir beim Ansehen alter Fotos die Augen aus. Am nächsten Morgen tut es mir leid.
Während ich noch im Bett liege, rührt sich das Biest wieder – ein Kater scheint ihm nicht nur nichts auszumachen, es scheint, dass dieser Zustand es sogar noch anstachelt. Meine böse Zwillingsschwester Sheila, von der ich meiner Freundin am Abend zuvor bei unserem Ausritt erzählt habe. Sheila ist eine alte Bekannte. Vielleicht die älteste, die ich habe. Vielleicht kennen Sie sie ja auch. (Und bitte verzeihen Sie mir, falls Sie Sheila heißen. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie ich ausgerechnet auf diesen Namen gekommen bin.)
Offensichtlich war die Konstellation der Höllenplaneten in mir am Vorabend gerade günstig, und so – tataa – ist es ihr, meiner Therapie zum Trotz, gelungen, auf ihrem Besenstiel daherzufliegen. Sie erinnert mich an Samanthas brünette Gegenspielerin Serena in Verliebt in eine Hexe . Und an diesem Morgen keift Sheila so laut wie zuletzt vor Jahren.
Du Idiotin! Du kannst es dir nicht leisten, zu viel zu trinken. Du kannst dir nicht erlauben, verkatert zu sein! Du kannst dir
rein gar nichts herausnehmen, was dir selbst schadet. Lass ihn den Scheißkerl sein. Das ist doch nicht deine Rolle! Jetzt schwing deinen Hintern aus dem Bett, sieh zu, dass du nach unten kommst, und brat dir ein paar Scheiben Speck! Und wenn du auch nur einen Schimmer davon hast, was dir guttut, dann wirfst du auch noch ein paar süße Teilchen zum Aufbacken in den Ofen .
Wenn Sheila eines genau von mir weiß, dann, dass ich Verlassensängste habe. Und jetzt liege ich da und frage mich, wie viel von meinem derzeitigen Schlamassel ich via selbsterfüllende Prophezeiung meiner schlimmsten Befürchtung zu verdanken habe. Dabei hasse ich diesen Gedanken. Das ist so, als wenn Leute sagen, sie hätten sich ihren Krebs selbst zuzuschreiben. Sheila hat mir übrigens jahrelang eingeredet, wenn ich Krebs bekäme, dann hätte ich ihn sogar verdient.
Speck und süße Teilchen hin oder her, er schläft bis elf. Irgendwann gehe ich doch hinauf in unser Schlafzimmer, um nachzusehen, ob er noch lebt. Da stößt er einen markerschütternden Wahnsinnsschnarcher aus, der ihn selbst hochschrecken lässt. Trotzdem mault er mich an, ich hätte ihn aufgeweckt. So bleibt er erst einmal auf der Bettkante sitzen.
Ich gehe in die Dusche, und als ich herauskomme, sehe ich, wie er draußen in einer Einfahrt liebevoll und sorgsam seine Golfschläger im Kofferraum seines Geländewagens verstaut.
Ich widerstehe dem Drang, hinauszulaufen und ihn zu bitten dazubleiben. Es ist
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