Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
gemacht! Du würdest mit etwas, das du liebst, Geld verdienen! Und vielleicht, weil es schließlich Freunde sind, würden sie dir so eine Art Stipendium gewähren oder sich auf ein Gegengeschäft einlassen – mit Brennholz oder irgendwas anderem. Vielleicht brauchen sie auch einen guten Verkäufer, und du könntest die Stunden und die Flugzeiten bei ihnen abarbeiten. Gerade in diesem Stadium könntest du ihnen eine Wahnsinnshilfe sein!«
Einen Moment lang wandert sein Blick zur Seite und schweift in die Ferne, als würde er das alles vor sich sehen. Seine eigene Heliskiing-Firma in den Rocky Mountains. Es scheint, als gäbe es ein Molekül Hoffnung, dass er es aus seinem Reich der Kränkung herausschafft. Um endlich einen seiner alten Träume zu realisieren.
Ich versuche, cool zu bleiben. Aber mein Gott, wie gern würde ich ihn anflehen. Gelegenheiten wie diese bieten sich
in unserer Kleinstadt nicht jeden Tag. Ich denke an unser Haus. An die Kinder. Ich schlucke und sage: »Ich könnte mein Pferd verkaufen. Um ein bisschen Bargeld lockerzumachen. Nicht viel, aber es würde zum Lebensunterhalt beitragen. Ich könnte auch für ein paar Jahre mit dem Romanschreiben aufhören und nur noch als Freelancer für Zeitschriften arbeiten.«
»So mittellos sind wir ja noch nicht«, sagt er, als hätte ich ihn beleidigt. Dann sieht er mich an und hat etwas in seinem Blick, das rein gar nichts mit Dankbarkeit zu tun hat. »Nein. Ich weiß, was ich tun muss. Mein Kumpel hat jetzt ein Haus in der Stadt, und er würde mich umsonst darin wohnen lassen. Und so war es in meinem Leben schon immer. Ich lebe so vor mich hin, und alles ist in Ordnung … und dann beginnt alles, in die Brüche zu gehen … und dann muss ich einfach alleine irgendwohin und es bluten lassen. Das Stechen und Brennen ertragen.«
Ich bin sprachlos. Das klingt, als hätte er all das schon lange geplant. Es wäre nett gewesen, wenn er mir dazu eine Notiz hätte zukommen lassen, bevor ich mein Ehegelübde abgelegt habe. Gern würde ich sagen: So, und wie lange dauert dieses Stechen und Brennen, dieses Blutenlassen für gewöhnlich?
Ich denke an das Stechen und Brennen, das mir die Liste verursacht hat, und schaue kurz in Richtung meiner Tasche. Doch das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Ich sitze nur da und schüttle den Kopf. Atmen. Ich wünschte, ich säße in Italien und würde mit meinem italienischen Vater auf der Terrasse Feigen essen. Vor circa zwanzig Jahren. Oder sogar vor ein paar Wochen.
Sheila meldet sich zur Abwechslung mal zu meiner Verteidigung zu Wort: Mein Gott, ich hätte nie geglaubt, dass dieser Typ sich je so total verantwortungslos aufführen würde. Ein
Haus in der Stadt, das seinem Kumpel gehört!? Verschone mich! Er hat ein oder zwei Dartscheiben, eine komplett veraltete Tauchausrüstung und ein paar versiffte Sofas, die für die Mäuse im Keller stehen … die ihm seine Eltern noch in Seattle gekauft haben, nachdem ihr euch getrennt hattet. Aber dann musstest du ja umfallen und dich wieder mit ihm zusammentun.
Ganz recht, Sheila. Weil ich ihn liebe. Was alles Rätselhaftes in einer Beziehung passiert, versteht niemand. Und es geht auch keinen was an, also halt die Klappe. Achte lieber darauf, wo deine Grenzen sind.
Na gut, ich erinnere dich ja bloß daran, dass du damals darauf bestanden hast, dass er zu einem Therapeuten geht, bevor ihr wieder zusammen wärt. Und er hat’s gemacht. Und er war danach besser denn je! Also musst du dafür sorgen, dass er seinen Hintern hochkriegt und sich einen guten Seelenklempner sucht!
Sheila – du musst mal Die Sucht gebraucht zu werden lesen.
Doch als ob er sie an diesem Abend in unserer Küche gehört hätte (möglicherweise hat er in seinem Kopf einen eigenen fiesen Zwillingsbruder Bob, der in seinem Hirn rumhängt und ihm weismacht, vor sich hin zu leiden sei gar nicht übel), sagt er: »Bitte zwing mich nicht, zu so einem Seelenklempner zu gehen.«
Das begreife ich als meine Chance. Ich erkenne den Unterschied zwischen mir heute und vor siebzehn Jahren, als ich noch Ultimaten stellte, bettelte und heulte. Man beachte die zwischenzeitlichen Ergebnisse dieses Verhaltens. Die Wut, die sich über Jahre aufgestaut hat. »Hey, ich werde dich zu gar nichts zwingen. Das ist ja schon rein physisch unmöglich. Aber bei mir hat die Therapie Wunder bewirkt. Und ich kenne
einen guten Therapeuten, falls du einen suchst. Er hat mit ein paar Jungs von hier gearbeitet, die du auch kennst. Die
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