Ein Spiel um Macht und Liebe
Er schluckte hart und entfernte sich einen Schritt von ihr. »Danke, daß Sie bei mir geblieben sind.«
Sie lächelte ihn sehr lieb an. »Dazu sind Freunde da.« Dann war sie fort.
Er starrte eine lange Weile auf die geschlossene Tür, während Körper und Geist sich nach Erfüllung sehnten – Erfüllung von schlichten und weniger schlichten Bedürfnissen.
Wer hätte gedacht, daß seine gestrenge Lehrerin so sinnlich sein würde?
Und wer hätte vorhersagen können, daß die ärgerliche Person, die nach Aberdare gekommen war, um ihn zu schikanieren, seine Freundin werden würde?
Der würdevolle Türsteher bei White’s grüßte Nicholas, als wäre sein letzter Besuch erst gestern gewesen. Der exklusive Club sah immer noch genauso aus wie vor vier Jahren; eine Veränderung wäre eine echte Überraschung gewesen.
Da Rafe noch nicht eingetroffen war, spazierte Nicholas ins Lesezimmer und nahm sich eine Ausgabe der Times. Wie erwartet, beherrschte Napoleons Abdankung die Schlagzeilen, dazu natürlich die Spekulationen über die Zukunft und die unvermeidliche Selbstbeweihräucherung der Briten ob ihres Mutes und ihrer Weisheit.
Beim Klang der vertrauten Stimme hob Nicholas den Kopf und sah Rafe, der auf ihn zukam. Auf halber Strecke wurde er von einem
überschäumendem Jüngling aufgehalten, der mit seinem Anliegen herausplatzte. »Haben Sie schon gehört, Euer Gnaden? Es heißt, daß die Bourbonen wieder auf den französischen Thron gehoben werden sollen.«
Rafe bedachte den jungen Mann mit einem indignierten Blick und sagte mit eisiger Stimme:
»Ach?«
Der Bursche wurde tiefrot und zog sich dann, Entschuldigungen murmelnd, zurück.
Nicholas hatte mit einem sardonischen Blick zugesehen. Als Rafe ihn erreichte, sagte er: »Vor vier Jahren hast du impertinente Menschen noch nicht so vollendet zum Teufel jagen können.«
»Das hoffe ich schwer«, erwiderte Rafe mit einem Grinsen. »Ich habe immerhin intensiv geübt.«
Nicholas mußte einfach lachen. »Wie viele Menschen auf der Welt dürfen dich so sehen, wie du wirklich bist?«
»Die arrogante Seite an mir ist durchaus echt, aber da du selbst nicht arrogant bist, fehlt dir bei anderen der Blick dafür«, bemerkte Rafe. »Aber wenn du wirklich wissen willst, bei wie vielen Menschen ich mich gegenwärtig ein wenig entspannen kann, so ist die Antwort: etwa sechs.«
In einer seltenen Geste der Zuneigung legte er Nicholas eine Hand auf die Schulter. Weil er nicht darauf gefaßt war, zuckte dieser zusammen.
»Verflucht.« Rafe ließ hastig seine Hand sinken.
»Tut mir leid…. du hast so normal ausgesehen, da habe ich ganz vergessen, daß dein Rücken wie ein Schachbrett aussehen muß. Ist es sehr übel?«
Nicholas zuckte die Achseln, obwohl es wehtat.
»Nichts, was wirklich dramatisch wäre.«
Rafe wirkte nicht überzeugt, ließ das Thema aber fallen. »Macht es dir etwas aus, wenn wir jetzt gleich in den Frühstücksraum gehen? Ich war gestern abend als Gastgeber so beschäftigt, daß ich nicht viel gegessen habe, und irgendwie habe ich auch das Frühstück verpaßt.«
»Gut.« Während sie auf den Frühstücksraum zugingen, fügte Nicholas hinzu: »Nach dem, was gestern geschehen ist, war ich nicht sicher, ob du unsere Verabredung einhalten würdest. Michael wird das bestimmt als Verschwörung mit dem Feind betrachten.«
»Sei nicht albern – ich lasse doch keinen Freund fallen, weil ein anderer vorübergehend ein wenig durcheinander ist.« Rafe lächelte. »Außerdem erfährt er ja davon nichts.«
Im Frühstücksraum standen kalter Braten und andere kleine kalte Gerichte auf einem Büffet. Zu diesem frühen Zeitpunkt waren nur wenige Tische besetzt. Sie stellten sich ihr Essen zusammen und fanden einen Platz in einer ruhigen Ecke, in der sie sich unter vier Augen unterhalten konnten. Als der Kellner den Duke sah, brachte er ungefragt eine Flasche Weißwein, stellte sie auf den Tisch und zog sich dann wieder zurück. Nicholas wartete, bis sie allein waren. »Wie geht es Michael heute?«
Rafe schnitt eine eingelegte Zwiebel durch und aß die Hälfte zusammen mit einem Stück Fleisch.
»Körperlich geht es ihm gut – bis auf die höllischen Kopfschmerzen, unter denen er zu leiden hat. Der Doktor, der ihn untersuchte, hat Clares Diagnose bestätigt.« Er warf Nicholas einen kurzen Blick zu. »Sie gefällt mir gut. Sie trägt einen kühlen Kopf auf den Schultern.« Er dachte einen Moment nach und fügte dann hinzu:
Ȇbrigens hat sie auch sehr
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