Ein Spiel um Macht und Liebe
wollen«, sagte sie voller Bitterkeit. »Wenn wir Freunde sind, wie können Sie dann mein Leben vernichten wollen?«
»Das dumme ist, daß ich Leidenschaft einfach nicht als zerstörerisch empfinden kann.« Seine Finger tanzten über die Saiten. »Ich sehe sie als…
befreiend. Eine Erfüllung. Wie ich schon sagte, als wir diese Wette abschlossen: Wenn ich gewinne, gewinnen wir beide.«
»Und wenn ich gewinne, verlieren Sie«, erwiderte sie knapp. »Und ich ziehe genau das vor.« Sie stellte die Füße auf den Boden, streifte ihre Schuhe über und stand auf, um zur Tür zu gehen.
Es war albern, sich betrogen zu fühlen – der Glaube, daß Nicholas seine Verführungsabsichten aufgegeben hatte, war ganz allein ihrem Wunschdenken entsprungen. Trotzdem fühlte sie sich zutiefst verletzt. Als er sie gestern nacht gebraucht hatte, hatte sie augenblicklich all ihre Bedenken verworfen, nur um ihm zu helfen. Doch was bekam sie jetzt dafür?
Sie hatte die Tür fast erreicht, als er wieder zu singen begann. Sie kannte das Lied, das von dem Dichterfürsten Hywel ap Owain Gwynedd aus dem zwölften Jahrhundert stammte. Die Weise hatte sie jedoch noch nie so sehr bezaubert wie jetzt, als Nicholas die Worte sang:
Ich will jene Maid,
die so wundersam schlank.
Im purpurnen Umhang
so schön und so rank.
Wie hypnotisiert von der Musik blieb sie stehen und wandte sich langsam zu ihm um. Das dunkle Feuer in seinen Augen löste ihren Zorn und ihren Widerstand auf, und seine Stimme war wie Samt, als er die sehnsuchtsvolle Klage eines Mannes sang, der sich nur nach einer Frau verzehrte.
Du willst nicht verraten, wie du mich siehst. Doch ich wähle dich, deren Schweigen so süß!
Widerwillig machte sie einen Schritt nach dem anderen auf ihn zu. Seine Augen funkelten, und seine Stimme stieg zum Ende des Liedes an.
Meine Wahl ist getroffen, es reuet mich nicht. Sie ist süß meine Dame, und ich weiß, ich tat recht.
Schließlich erstarben die Klänge, und er hob die Hand, um sie zu sich zu winken. »Der Kuß muß von Ihnen kommen.«
Sein Bann war so mächtig, daß sie ihre Hand in seine legte. Zigeunermagie. Magie der Musik.
Old Nick, mit all seiner teuflischen Macht.
Voller Verachtung auf sich selbst erkannte sie plötzlich, wie nah sie daran war, sich hinzugeben.
Sie entzog ihm ihre Hand. »Sie sind wie eine Spinne. Sie weben Ihr Netz aus Noten, um eine dumme Fliege einzufangen. Aber es funktioniert nicht.«
Sein Lächeln war ein wenig reumütig. »Mit einem anderen Wesen zu verschmelzen, ist die ultimative Vereinigung. Danach streben die Menschen, wenn sie sich paaren, aber sie schaffen es bestenfalls nur für ein paar kurze Augenblicke.« Er entlockte der Harfe tiefe, melancholische Töne, die sich um seine Worte zu ranken schienen. »Wer behauptet denn, daß die Fliege die Vereinigung, die das Ende der Einsamkeit bedeutet, nicht genießen kann?«
Sein Talent, alles in romantische Worte zu hüllen, brachte sie in Rage. »Eine entzückende Metapher«, fauchte sie, »aber in der Realität fängt sich die Spinne so ihr Abendessen. Die Fliege stirbt, während die Spinne nach weiteren Dummköpfen sucht, die sie verschlingen kann.«
Sie wirbelte auf dem Absatz herum und ging zur Tür. »Suchen Sie sich ein anderes Opfer.«
Sie hörte ein dumpfes Vibrieren der Saiten, als 6r die Harfe zu Boden stellte und hinter ihr her kam.
»Clare.«
Widerstrebend drehte sie sich zu ihm um. »Sie haben kein Recht, mich aufzuhalten – Sie haben Ihren Kuß für heute schon bekommen. Und den für morgen auch schon.«
»Das weiß ich durchaus«, sagte er zerknirscht.
Er stand so dicht bei ihr, daß sie seine Körperwärme spürte. Dennoch berührte er sie nicht. »Ich darf Sie nicht küssen, aber Sie dürfen mich küssen.« Er schenkte ihr ein bezauberndes Zigeunerlächeln. »Ich sträube mich auch, wenn Sie das möchten.«
Ihr Zorn gewann Oberhand. »Das ist kein Scherz, verdammt!«
»Warum sind Sie so aufgebracht?« fragte er ruhig.
Sie blinzelte, um die Tränen zurückzudrängen, die ihr in den Augen standen. »Sie behaupten, an Freundschaft zu glauben, aber sie tun es nur, wenn die Freundschaft nach Ihren Bedingungen funktioniert. Sie sind so unglaublich selbstsüchtig.
Wie jeder andere Mann, den ich kenne.«
Er fuhr zurück, und sie sah mit Befriedigung, daß sie ihm wehgetan hatte. Er brauchte eine Weile, um wieder zu sprechen. »Vielleicht ist echte Freundschaft zwischen Mann und Frau deswegen so selten, weil beide
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