Ein Spiel um Macht und Liebe
anzweifeln, ob Sie wirklich der rücksichtslose Frauenheld und Lebemann sind, für den die Welt Sie hält.«
»Meine ernsthaften Laster sind ja hinreichend bekannt. Da Harfe zu spielen einen unangenehm engelhaften Beigeschmack hat, behalte ich es für mich, um meinen Ruf nicht zu verderben.« Er zupfte den kurzen Refrain eines bekannten, unanständigen Liedes. »Wir kennen doch beide den Wert eines unbefleckten Rufs.«
»Eine nette Erklärung, aber purer Blödsinn.« Sie musterte ihn nachdenklich. »Warum haben Ihre Augen Blitze geschleudert, als ich hier hereingeplatzt bin?«
Vielleicht war es die Intimität der späten Stunde, die ihn dazu veranlaßte, ihr eine ehrliche Antwort zu geben, statt sie weiter zu necken. »Ein Gentleman weiß Musik – wie Kunst oder Architektur – zu schätzen, aber er verschwendet keine Zeit damit, sie auszuüben. Sollte ein Mann von Stand hartnäckig darauf bestehen, ein Instrument spielen zu wollen, dann soll er doch bitteschön etwas Angemessenes wie Geige oder Klavier wählen. Ein Gentleman vergeudet seine Zeit ganz entschieden nicht mit etwas, das so gewöhnlich und bäurisch wie die walisische Harfe ist.« Er hielt eine Saite fest und glitt dann mit zwei Fingern daran herunter, so daß die Harfe weinte wie eine Elfe mit gebrochenem Herzen.
Clare schauderte, als das Instrument einen so gequälten Laut von sich gab. »Ich nehme an, Sie zitieren den alten Earl. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, daß er Ihre Musik nicht gemocht hat. Sie spielen und singen wunderbar.«
Nicholas lehnte sich in seinem Stuhl zurück, kreuzte die Fußgelenke und verschränkte die Arme locker über der Harfe vor seiner Brust. »Die meisten Waliser von gewöhnlicher Abstammung würden eher singen als essen, wenn sie wählen müßten. Zigeuner würden tanzen, bis ihnen die Füße bluten. Mein Großvater verabscheute solche Exzesse. Die Tatsache, daß ich Harfespielen lernen wollte, war für ihn nur mal wieder Bestätigung dafür, was für schlechtes Blut in meinen Adern floß.« Müßig zupfte er ein paar wehmütig klingende Noten. »Das ist auch ein Grund, warum ich Walisisch gelernt habe. Cymric ist eine uralte, urtümliche Sprache, eine für Krieger und Poeten. Ich fand, ich mußte es sprechen können, um der Harfe gerecht zu werden.«
»Und wo haben Sie gelernt, so gut zu spielen?«
»Ein Hirte in den Bergen zeigte es mir. Tarn the Telyn.«
»Thomas die Harfe«, übersetzte sie. »Ich habe ihn als Kind einmal spielen gehört. Es war wunderschön. Es hieß immer, er sei der Harfenist von Llewelyn dem Großen gewesen, der uns an den vergangenen Ruhm Wales’ erinnern soll.«
»Vielleicht war Tarn wirklich einer der großen Barden, die zurückgekehrt sind – irgendwie war sein Talent schon unheimlich. Er hat seine Harfe selbst und in der mittelalterlichen Bauweise hergestellt.« Nicholas strich über das gebogene Holz. »Der Klangkörper ist aus einem einzigen Weidenstück gefertigt, und die Saiten sind, wie die früheren, nicht aus Darm, sondern aus Draht.
Ich habe eine nach seiner Anweisung gebaut, aber ihr Klang war längst nicht so voll. Tarn hat mir diese überlassen, bevor er starb.«
»Sie spielen besser als jeder Harfenist, den ich bisher bei einem Eisteddfod gehört habe. Sie sollten mal bei einem solchen walisischen Sänger-und Dichterfest mitmachen.«
»Nie und nimmer, Clare«, sagte er, und plötzlich war seine melancholische Stimmung wie weggeblasen. »Ich spiele nur für mich allein.«
»Liegt es vielleicht daran, daß Sie es nicht ertragen können, wenn andere Sie bewundern?
Sie scheinen mit der Geringschätzung der Leute besser zurechtzukommen.«
»Das ist ganz richtig«, erwiderte er samtweich.
»Jeder Mensch sollte nach etwas streben, und ich will das seelenlose Ungeheuer sein, dessen Existenz für den anständigen, gottesfurchtigen Teil der Menschheit eine Beleidigung bedeutet.«
Sie lächelte. »Ich kann nicht glauben, daß jemand, der so wie Sie Musik machen kann, seelenlos ist. Außerdem hätte mein Vater niemanden, der wirklich verderbt gewesen wäre, so geschätzt, wie er Sie geschätzt hat.«
Wieder strich er mit den Fingern über die Saiten.
»Wenn Ihr Vater nicht gewesen wäre, wäre ich von Aberdare weggelaufen. Ich bin mir nicht sicher, daß er mir einen Gefallen getan hat, als er mich zum Bleiben überredete, aber sein Talent, ein ungebärdiges Kind zu zähmen, war in jedem Fall bewundernswert.«
»Wie hat er es denn geschafft? Mein Vater hat sehr
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