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Ein Spiel um Macht und Liebe

Ein Spiel um Macht und Liebe

Titel: Ein Spiel um Macht und Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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selten über seine Arbeit gesprochen, weil er der Meinung war, er sei nur Gottes Instrument gewesen.«
    »Wußten Sie, daß meine Mutter mich für hundert Guineas an meinen Großvater verkauft hat?«
    Bevor Clare ihr Entsetzen über seine beiläufig dahingesagten Worte ausdrücken konnte, griff er wieder in die Saiten, und düstere, tiefe Akkorde hingen bebend in der Luft. »Als ich nach Aberdare kam, war ich erst sieben und hatte noch niemals eine Nacht in einem Haus geschlafen. Wie ein Tier in der Falle brüllte ich, wehrte ich mich, versuchte verzweifelt, zu entkommen. Man sperrte mich im Kinderzimmer ein und verbarrikadierte die Fenster, damit ich auf keinen Fall fliehen konnte.
    Der alte Earl ließ Ihren Vater rufen, denn er hielt sehr viel von dessen religiösem Schaffen.
    Wahrscheinlich hoffte er, Reverend Morgan würde mir den Teufel austreiben.«
    »Mein Vater war doch kein Exorzist.«

    »Nein. Er kam einfach mit einem Korb voll Essen in mein Zimmer und setzte sich auf den Boden, damit er in etwa auf gleicher Höhe mit mir war.
    Dann begann er, ein Stück Hammelpastete zu verzehren. Ich war argwöhnisch, aber er wirkte harmlos. Außerdem bekam auch ich langsam Hunger, da ich seit einigen Tagen nichts mehr gegessen hatte… Immer wenn ein Lakai mir etwas zu essen brachte, warf ich es ihm an den Kopf.
    Aber Ihr Vater versuchte nicht, mich zu etwas zu zwingen, und er schimpfte auch nicht, als ich mir etwas aus dem Korb nahm. Nachdem ich es runtergeschlungen hatte, bot er mir Ale und Pfannkuchen mit Beeren an. Er reichte mir auch eine Serviette mit der freundlichen Empfehlung, daß ich mir Finger und Mund damit abwischen sollte, weil ich dann besser aussehen würde.
    Dann fing er an, mir Geschichten zu erzählen. Von Joshua und den Mauern von Jericho. Von Daniel in der Löwengrube. Samson und Delilah – die Stelle, wo Samson den Tempel einreißt, gefiel mir besonders, da ich mich genauso fühlte, seit ich auf Aberdare eingesperrt war.« Nicholas legte den Kopf zurück an die Stuhllehne. Das Licht des Feuers ließ seine feingemeißelten Züge golden schimmern. »Ihr Vater war der erste, der mich wie ein Kind, statt wie ein wildes Tier behandelt hat, das man unbedingt zähmen muß. Am Ende lag ich zusammengerollt und schluchzend in seinen Armen.«
    Clare hätte am liebsten selbst geweint, als sie sich den einsamen, verzweifelten kleinen Jungen vorstellte. Von seiner eigenen Mutter verkauft zu werden! Mühsam schluckte sie den Kloß in ihrer Kehle hinunter. »Mein Vater war der mitfühlendste Mann, den ich je gekannt habe.«
    Nicholas nickte. »Ja, der alte Earl hatte eine gute Wahl getroffen. Ich denke nicht, daß irgend jemand anderer es geschafft hätte, mich dazu zu bringen, die Situation als gegeben zu akzeptieren.
    Er sagte mir, daß Aberdare nun mein Zuhause sein würde, und daß ich, wenn ich mich ein bißchen entgegenkommend verhalten würde, bald freier und wohlhabender sein würde, als jeder Zigeuner es je gewesen war. Also ging ich hinunter zu dem alten Earl und schlug ihm einen Handel vor.«
    Er schnitt eine Grimasse. »Offenbar hatte ich schon immer einen Hang zu merkwürdigen Abmachungen. Ich sagte meinem Großvater, daß ich mein Bestes geben würde, um die Art von Erbe zu werden, den er sich wünschte – elf Monate im Jahr. Als Gegenleistung mußte er mir einen Monat gewähren, den ich bei den Roma verbringen durfte.
    Natürlich paßte es dem Alten gar nicht, aber Reverend Morgan überzeugte ihn, daß es die einzige Möglichkeit war, mich zu angemessenem Verhalten zu bewegen. So wurde Ihr Vater also mein Lehrmeister. Die nächsten zwei oder drei Jahre kam er praktisch jeden Tag nach Aberdare, wenn er nicht gerade auf Reisen war. Neben den üblichen Dingen, die man in einer Schule lernt, brachte er mir bei, wie man sich als Gadscho verhält. Schließlich war ich soweit, auf ein Internat zu gehen, wo man mich weiter formen sollte, bis ich mir zumindest nach außen hin den Anschein geben konnte, ein anständiger englischer Gentleman zu sein.« Er warf ihr einen ironischen Blick zu. »Bevor ich fortging, schenkte ich ihm das Buch mit der Widmung, das Sie benutzt haben, um mich zu erpressen.«
    Sie hatte keine Lust, sich schuldig zu fühlen.
    »Also sind Sie Ihren Wurzeln treu geblieben, indem sie jedes Jahr zum Volk Ihrer Mutter zurückgekehrt sind. Das war ein bemerkenswert vorausschauendes Denken für ein Kind.«
    »Nicht vorausschauend genug.« Er spielte eine kurze, spöttische Weise an. »Ich

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