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Ein Spiel um Macht und Liebe

Ein Spiel um Macht und Liebe

Titel: Ein Spiel um Macht und Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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glaubte damals, ich könnte mir das Zigeunerleben wie einen Anzug überstreifen, dann wieder ablegen und unverändert sein. Doch so einfach war es nicht –
    wenn jemand ständig eine Rolle spielt, wird sie irgendwann verinnerlicht.«
    »Ich kann mir vorstellen, daß es schwer gewesen ist, diese beiden Welten in Einklang zu bringen«, sagte sie. »Könnte es sein, daß Sie oft den Eindruck hatten, Sie wären weder Fisch noch Fleisch?«
    Er lachte humorlos. »Das ist eine adäquate Beschreibung.«
    »Je mehr ich erfahre, desto weniger überrascht es mich, daß Sie Ihren Großvater gehaßt haben.«
    Nicholas neigte den Kopf und zupfte die Saiten erst in einer auf-, dann einer absteigenden Oktave. »Zu sagen, daß ich ihn haßte, ist… zu einfach. Er war mein einziger Verwandter, und ich wollte es ihm rechtmachen – zumindest manchmal. Ich lernte Manieren und Sitten, Griechisch und Geschichte und Landwirtschaft, doch nie konnte ich ihn zufriedenstellen. Wissen Sie, was mein unverzeihlichster Fehler war?«

    Clare schüttelte den Kopf. »Strecken Sie die Hand aus«, forderte er sie auf.
    Sie tat es, und er hielt die seine daneben. Neben ihrer hellen keltischen Haut wirkte seine wie Milchkaffee. »Die Farbe meiner Haut – etwas, das ich nicht ändern konnte, selbst wenn ich es gewollt hätte. Wenn ich etwas heller gewesen wäre, dann, denke ich, hätte mein Großvater vermutlich irgendwann vergessen können, welche Abstammung ich hatte. Statt dessen sah er jedesmal, wenn er mich anblickte, den
    ›verdammten schwarzen Zigeuner‹, wie er es so charmant ausdrückte.« Nicholas bewegte seine langen, geschmeidigen Finger und starrte darauf, als sähe er sie zum ersten Mal. Mit einem bitteren Unterton fuhr er fort: »Lächerlich – und sicher unchristlich – , jemanden wegen seiner Hautfarbe zu hassen, und doch können solch trivialen Dinge das ganze Leben beeinflussen.«
    »So wie Sie sind, sind Sie vollkommen«, sagte Clare mit Nachdruck.
    Er schien vollkommen verblüfft. »Ich war nicht auf Komplimente aus.«
    »Das war kein Kompliment. Das war eine objektive Beurteilung nach ästhetischen Gesichtspunkten«, sagte sie hochmütig. »Eine guterzogene Frau würde einem Mann niemals auf so vulgäre Art schmeicheln wollen.«
    Er grinste, und seine Miene entspannte sich. »Also gehöre ich in dieselbe Kategorie wie griechische Vasen und Renaissance-Gemälde.«
    »Sie sind interessanter als beides.« Sie legte den Kopf schief. »War das Leben für Sie leichter, als sie mit den Zigeunern umherzogen?«

    »In den meisten Fällen ja. Meine Mutter war ein Waisenkind gewesen, hatte keine engen Verwandten mehr gehabt, und so gesellte ich mich jeweils zu der Kumpania, die Aberdare am nächsten war. Sie nahmen mich immer auf, wie man ein streunendes verlassenes Hündchen aufnehmen würde.« Er zögerte einen Moment.
    »Es machte mir immer viel Spaß, aber mit der Zeit begann ich, mein Volk mit anderen Augen zu sehen. Die Roma halten sich für vollkommen frei und ungebunden, aber tatsächlich sind sie in ihren eigenen Sitten und Gebräuchen gefangen.
    Mangelnde Bildung, die Stellung der Frau, der Stolz auf Unehrlichkeit, die gewöhnlich auf Kosten jener Gadsche geht, die es am wenigsten verschmerzen können, die Reinheitsgebote –
    irgendwann war ich soweit, daß ich solche Dinge nicht mehr hinnehmen konnte, ohne sie in Frage zu stellen.«
    »Dennoch haben Sie den Zigeunern einen Lagerplatz auf Aberdare zugewiesen.«
    »Natürlich – sie sind mein Volk. Jeder Rom kann bleiben, solange er möchte. Als Gegenleistung verlange ich von ihnen, die Leute im Dorf nicht zu belästigen.«
    »Dann ist das wohl der Grund, warum wir seit Jahren keinen Ärger mehr mit Zigeunern hatten«, sagte Clare verblüfft. »Ich weiß noch: Als ich klein war, hat meine Mutter mich immer rasch ins Haus gebracht und die Tür verriegelt, wenn sie ins Dorf kamen. Sie sagte, Zigeuner wären Diebe und Heiden und würden Kinder stehlen.«
    Er gluckste. »Die zwei ersten Punkte könnten stimmen, aber die Roma haben keinen Grund, Kinder zu stehlen – sie haben jede Menge eigener.«
    »Ich habe früher immer davon geträumt, von Zigeunern gestohlen zu werden«, gestand sie.
    »Ich dachte, es müßte doch nett sein, wenn jemand mich so dringend will.«
    Dummerweise war Nicholas nicht entgangen, was sie mit ihrer Bemerkung enthüllt hatte. »Fühlten Sie sich denn unerwünscht, Clarissima? Ich habe mich früher manchmal gefragt, wie es wohl sein mochte, Reverend

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