Ein Spiel um Macht und Liebe
brauchen Sie auch, aber Monsieur le Compte wird bestimmt zufrieden sein.«
Als Clare endlich ihrem Spiegelbild gegenübertreten durfte, blinzelte sie überrascht.
Der rosafarbene Chaly ließ ihre Haut schimmern und ihre Augen riesig wirken. Sie sah aus wie eine Lady – und zwar eine attraktive Lady! Sie fand sich sogar – der Himmel mochte ihr vergeben –
ziemlich umwerfend. Dann betrachtete sie mit Unbehagen ihren Ausschnitt. Nicht nur, daß er alarmierend tief war; das Korsett hob auch noch ihre Brust an! Obwohl Clare sich darüber im klaren war, daß sie eher bescheiden ausgestattet war, sah sie in diesem modischen Kleid dennoch recht… gut bestückt aus.
Sie mußte den Drang niederzwingen, ihre nackte Haut mit den Händen zu bedecken, als sie schüchtern hinter dem Wandschirm hervortrat.
Nicholas und Denise brachen ihre Unterhaltung ab und starrten sie an. Während die Schneiderin zufrieden nickte, wanderte Nicholas um Clare herum. Seine Augen funkelten entzückt. »Ich dachte mir schon, daß das Kleid etwas für Sie sein würde, aber trotzdem bin ich beeindruckt. Es bedarf nur einer kleinen Änderung.«
Er zog mit der Handkante eine Linie quer über ihr Mieder. »Der Ausschnitt sollte bis hier gehen.«
Sie keuchte auf; einmal, weil er ihre Brüste – in aller Öffentlichkeit! – berührt hatte, zum anderen, weil der Ausschnitt, den er angezeigt hatte, einfach schockierend tief war. »Ich weigere mich, etwas so Unanständiges zu tragen.«
»Was ich vorschlage, ist doch noch sehr dezent.«
Er zog eine andere Linie, diesmal knapp oberhalb ihrer Brustwarzen. »Das wäre unanständig.«
Entsetzt warf Clare Denise einen Blick zu. »Er macht Witze, oder?«
»Gar nicht«, erwiderte die Schneiderin munter.
»Ich habe Kundinnen, die kein Kleid kaufen, aus dem sie nicht fast herausquellen. Hält das Interesse der Gentlemen wach, heißt es.«
»Das kann ich mir vorstellen«, murmelte Clare unbesänftigt. »Ich trag’s jedenfalls nicht.«
»Seien Sie doch nicht so hartnäckig.« Nicholas schenkte ihr sein teuflischstes Grinsen. »Das Dekollete, das ich vorschlage, ist gewagter, als Sie es wollen, aber viel konservativer, als ich es gern hätte. Ist das nicht ein guter Kompromiß?«
Sie mußte einfach lachen. Und immerhin würde sie in diesem Kleid ja niemand sehen, der sie kannte. »Also gut. Aber wenn ich mir eine Lungenentzündung hole, dann müssen Sie dafür geradestehen.«
»Ich halte Sie schon warm«, sagte er, und das Leuchten in seinen Augen verhieß nichts Gutes.
Clare zog sich hastig hinter den Wandschirm zurück, während sie sich sagte, daß es schließlich nichts ausmachte, ob diese Fremden glaubten, sie sei seine Geliebte.
Das nächste, was sie anprobierte, war ein Tageskleid, und auch wenn der Ausschnitt etwas anständiger war – in Penreith hätte immer noch jeder bei dem Anblick die Augenbrauen hochgezogen.
Als einen Augenblick niemand in der Nähe war, der mithören konnte, wandte sich Clare an Nicholas. »Was für eine Art Kundschaft kommt eigentlich hierher? Ich habe nicht den Eindruck, daß in diesem Geschäft ausgerechnet die angesehensten Persönlichkeit der höheren Gesellschaft verkehren.«
»Sehr gut beobachtet«, erwiderte er. »Die Frauen, die hierher kommen, sind jene, die so verführerisch wie möglich aussehen wollen. Ein paar davon sind zwar Damen der Gesellschaft, aber es kommen auch viele Schauspielerinnen und Kurtisanen.« Er legte den Kopf ein wenig schief. »Beleidigt Sie das?«
»Sollte es wohl«, gab sie zu, »aber ich wäre in jedem vornehmen Geschäft fehl am Platz.
Außerdem gefällt mir Denise irgendwie.«
Sie brachen ihre Unterhaltung ab, als das Lehrmädchen herankam und ihnen zur Stärkung Tee und Kuchen brachte. Nicholas und Denise stürzten sich in eine engagierte Diskussion über Strümpfe, Schuhe, Handschuhe, Umhänge und Wäschestücke, über die eine anständige Frau nicht sprach. All das würde noch benötigt werden, und allein ihnen zuzuhören, ermüdete Clare.
Nicholas schien in dieser Aufgabe jedoch richtig aufzugehen. Nach drei Stunden sagte er ausgelassen: »Und nun, meine Liebe, werde ich Ihnen das sinnlichste Erlebnis bescheren, das Sie sich vorstellen können.«
»O nein«, sagte sie entsetzt. »Ich versuche ja, eine gute Mätresse zu mimen, aber es ist bestimmt nicht nett von Ihnen, mich zu demütigen.«
»Habe ich etwas von Demütigung gesagt?« Er half ihr in den offenen Wagen, dann nahm er dem Diener die Zügel aus der Hand,
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