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Ein Spiel um Macht und Liebe

Ein Spiel um Macht und Liebe

Titel: Ein Spiel um Macht und Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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derer, die das Bauwerk errichtet hatten.
    Nicholas nahm ihren Ellenbogen, und sie gingen auf den Eingang zu. Wenn er sie nicht geführt hätte, wäre sie über ihre eigenen Füße gestolpert, denn sie konnte ihren Blick einfach nicht von dieser herrlichen Front abwenden.
    Das Innere war sogar noch prächtiger als das Äußere. Obwohl andere Besucher und Gläubige anwesend waren, ließen Größe und Höhe der Kirche sie bedeutungslos erscheinen und gaben ihr das Gefühl, mit Nicholas allein zu sein. Dunkle Schatten, wie Juwelen funkelnde Fenster, spitze Bögen und ein Wald gewaltiger Säulen; Clare war so betäubt von dem Reichtum und der Vielfalt, daß es ihr schwerfiel, die Abtei als Ganzes zu erfassen.
    Sie hielt Nicholas’ Arm, während sie einen Seitengang entlanggingen. »Dieses Gebäude ist dazu errichtet worden, Menschen mit der Macht und der Allgewalt Gottes zu beeindrucken«, murmelte sie. Unwillkürlich hatte sie leise gesprochen.
    »Alle großartigen Gotteshäuser haben diesen Zweck«, erwiderte er ruhig. »Ich war schon in Kirchen, Moscheen, Synagogen und indianischen Tempeln, und alle haben es geschafft, einem den Eindruck zu vermitteln, es sei etwas dran an dem ganzen Theater, das um die Religion gemacht wird. Aber ich war auch schon in Schreinen, die kleiner waren als die Zion-Kapelle in Penreith, und manche kamen mir heiliger als alle anderen zusammen vor.«
    Sie nickte abwesend, zu überwältigt, um eine vernünftige Unterhaltung führen zu können. Die Wände waren bestückt mit Monumenten berühmter Briten. Es kam ihr unvorstellbar vor, daß sie über die sterblichen Überreste so vieler großer Männer und Frauen wanderte: Edward I.
    und Henry VIII. Elizabeth, die jungfräuliche Königin, und ihre Kusine und Feindin, Mary, Königin von Schottland. Geoffrey Chaucer, Isaac Newton und die beiden William Pitts, der Ältere und der Jüngere. Als sie die Kapelle von Edward dem Bekenner, der sowohl Heiliger als auch König gewesen war, erreichten, flüsterte sie: »Ist denn jede wichtige Persönlichkeit aus Englands Geschichte hier begraben?«
    Er lachte leise. »Nein, obwohl es so aussehen könnte. Die Verbindung von spektakulärer Architektur und Geschichte ist recht überwältigend, nicht wahr?« Er zog seine Taschenuhr hervor und blickte auf die Zeit, dann wandte er sich um, und sie gingen den Gang, den sie gekommen waren, zurück.
    Nach einer kurzen Weile setzte plötzlich ein Tosen von Musik ein. Clare stockte der Atem, und ein Schauer lief ihr das Rückgrat herab. Es war eine Orgel, die da gespielt wurde; kein anderes Instrument besaß soviel Kraft und den majestätischen Klang, um eine solch gewaltige Kirche zu füllen.
    Die Orgel wurde von einem Chor Engel begleitet.
    Nun, natürlich keine Engel, obwohl die Stimmen ihr wahrhaft engelsgleich vorkamen. Irgendwo verborgen in den unsichtbaren Nischen der gewaltigen Kirche erhoben sich scheinbar Hunderte von Männerstimmen zu triumphierenden Hymnen. Die Musik hallte von den Steinmauern wider, drang in die letzten Winkel des Bauwerks und erfüllte die Atmosphäre mit solch konzentrierter Intensität, daß das Paradies selbst Mühe gehabt hätte, etwas Besseres
    hervorzubringen.
    Nicholas atmete hingerissen aus. »Sie üben für die Osterchoräle.« Er nahm Clares Hand und zog sie in den Schutz einer Nische, die von einer gewaltigen Statue überschattet wurde.
    Dort lehnte er sich entspannt an die Mauer zurück, schloß die Augen und gab sich ganz der Musik hin. Er schien die Töne in sich aufzunehmen, wie eine Blume die Sonne absorbierte. Sie hatte ja schon erfahren, daß er Musik liebte, aber beim Anblick seines Gesichtes kam sie zu dem Schluß, daß das Wort ›Liebe‹
    nicht stark genug war. Er sah aus wie ein gequälter Engel, der eine Möglichkeit zur Erlösung entdeckt hatte.
    Langsam, ohne sich dessen wirklich bewußt zu sein, rückte sie näher an ihn heran, bis ihr Rücken über sein weißes Leinenhemd strich. Einer seiner Arme schlang sich um ihre Taille und zog sie an sich. Seine Umarmung hatte nichts Lustvolles an sich; sie teilten nur ein Erlebnis, das zu tiefgreifend, zu innig für Worte war. Auch sie schloß nun die Augen und erlaubte sich, diesen Moment auszukosten. Die übernatürliche Macht der Musik. Nicholas’ Stärke und Wärme. Freude.
    Das dritte Lied war Handels »Halleluja-Chor«, ein Musikstück, das so aufwühlend wie
    unmißverständlich war. Sie schauderte unter der Heftigkeit der Emotionen, die aus den Tiefen ihrer

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