Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
Konversation des Tages bei.
»Oh, ja«, piepste Totty, »wenn Lord Worth auch sonst nichts hat, so hat er doch zwei Brüder, beide unverheiratet.«
»Ja, einen Krüppel und eine büchernärrische Bohnenstange, die Phillippa am Rockzipfel hängt«, brummte Nora.
»Nora!«, rief Phillippa laut und ergriff den Arm ihrer Freundin wie bei einem Kind. Wann war Nora eigentlich so bissig geworden? Und seit wann hatte sie selbst aufgehört, solche Bissigkeit zu pflegen?
»Oh, komm schon, Philly«, erwiderte Nora, »seit wann bist du so zurückhaltend? Vor vier Wochen hättest du noch genau dasselbe gesagt wie ich.«
Es stimmte. Sie hielt sich mehr und mehr zurück. Und irgendwie störte es sie nicht im Geringsten.
Es musste passiert sein, als ihre Partnerschaft mit Marcus begann. Eigentlich mehr als eine Partnerschaft … Er hatte sie bei Dingen ins Vertrauen gezogen, von denen niemand sonst etwas wusste, wie etwa seine Abneigung gegen Feuerwaffen und modische Haarschnitte. Und er war stets nett und freundlich. Wie angenehm seine Ritterlichkeit und sein Sinn für Humor miteinander verschmolzen … und er wusste mehr über sie, als sie jemals einen anderen Menschen von sich hatte wissen lassen. Er war mehr als nur ihr Komplize.
Er war ihr Freund.
Und sie sehnte sich verzweifelt danach zu hören, wie es ihrem Freund ging.
Aber du bist verrückt, wenn du es dir anmerken lässt, sagte Phillippa sich, während Mariah sie jetzt warmherzig begrüßte.
»Phillippa!«, rief Mariah, »wie schön, dass Sie hier sind!«
Phillippa freute sich, dass Mariah ihren Rat angenommen hatte, auf die pflaumenfarbene Seide zu verzichten und stattdessen ein Kleid in warmem Rotbraun zu tragen.
»Mariah«, grüßte Phillippa zurück und küsste ihre Gastgeberin auf die Wange, »ich habe ein paar Freundinnen mitgebracht, die sich für Ihre Sache begeistern. Darf ich Ihnen Lady de Regis und deren Tochter Nora vorstellen? Mrs. Tottendale kennen Sie selbstverständlich schon.«
Die Damen knicksten und murmelten ihre Höflichkeiten. Phillippa konnte nicht anders, als den Blick durch das Zimmer schweifen lassen … um Ausschau nach einer hochgewachsenen Gestalt zu halten, nach einem fröhlichen Lächeln, nach blitzenden Brillengläsern. Aber selbst wenn der Salon erheblich bevölkerter war als bei Phillippas erster Dinnerparty im Hause Worth, die dank Mariahs Wohltätigkeit zum neuesten Schrei geworden war – diese eine Person, auf die Phillippa gehofft hatte, befand sich nicht unter den Gästen.
Es war, als könnte Lady de Regis Gedanken lesen. »Ich habe gehört, dass Sie zwei Schwager haben, Lady Worth.« Lady de Regis verspürte nur selten das Bedürfnis, ihre Absichten – einen Ehemann für ihre Tochter zu finden – hinter einer eher vagen Wortwahl zu verbergen. »Sind sie heute Abend auch hier?«, fuhr sie fort und schaute sich um.
»Ich fürchte, nein«, antwortete Mariah. »Es sind eben junge Männer, nicht wahr? Es gelingt mir so gut wie kaum, sie zu einem wöchentlichen Dinner im Familienkreis zu bewegen.«
»Sie s… sie sind nicht hier?«, hakte Phillippa ein wenig benommen nach. »Weder der eine noch der andere?«
Mariah warf Phillippa einen seltsamen Blick zu. »Unglücklicherweise nicht. Marcus habe ich vor dem vergangenen Wochenende das letzte Mal gesehen. Bei Byrne haben wir es nur ein einziges Mal geschafft, ihn zum Dinner zu bewegen. Seither … «
Phillippa wurde klar, dass sie in Gesellschaft waren, und bat Totty mit einem stummen Blick um Hilfe.
Die sich sofort und energisch ihrer Aufgabe annahm. Sie ergriff Lady de Regis beim Arm und zeigte ihr, dass es bereits Erfrischungen gab. Nora war natürlich schon zu den Gentlemen am anderen Ende des Salons gegangen. War keiner ihrer Beaus anwesend, dann, so schien es, wollte sie ihren Charme bei deren Vätern spielen lassen.
»Mariah«, fing Phillippa an, räusperte sich und setzte noch einmal an, »ich habe Marcus auch schon seit einer Woche nicht mehr gesehen.«
»Tatsächlich?« Mariah wirkte beunruhigt. »Ich bitte um Verzeihung, aber ich hatte den Eindruck, dass er … dass er in Ihrer Gesellschaft ist. Jedenfalls für eine gewisse Zeit.«
»Ich bin überzeugt, dass Ihnen die Freundschaft zwischen Marcus und mir nicht unbemerkt geblieben ist. Ich bezweifle, dass er die Stadt verlässt, ohne dass Sie etwas darüber erfahren.«
»Das kann ich bestätigen. Und ich zweifle nicht an seiner Zuneigung zu Ihnen. Ganz und gar nicht.«
Mariahs Freimütigkeit ließ
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