Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
höchstem Maße erstaunlich.
Und er liebte sie.
Aber er wusste auch, dass es keine Möglichkeit gab, mit ihr zusammen sein zu können. Er stand auf und ging barfuß in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Wie ein Löwe im Käfig.
Vergiss, dass sie deinen Kuss im Stall erwidert und sich an dich geschmiegt hat. Vergiss, dass du falsche Vermutungen über deine geheime Identität zugelassen hast. Beziehungsweise darüber, dass es gar keine gibt. Vergiss, wie zielstrebig sie dabei vorgegangen ist, diesen Esel, den Marquis of Broughton, für sich zu gewinnen. Es war nichts als die reine Wahrheit, dass Phillippa Benning in einer ganz anderen Welt lebte als er. Und sobald ihre Verbindung beendet war, würde sie in ihre zurückkehren und er in seine.
Daher empfahl es sich, der Verbindung ein Ende zu setzen, bevor sie oder er bei dieser Unternehmung noch den Tod finden würde.
Er nahm wieder an seinem Schreibtisch Platz, zerknüllte seinen letzten Versuch und nahm ein neues Blatt Papier. Ernst und aufmerksam schob er sich die Brille auf der Nase zurecht.
Gerade als er anfangen wollte, musste er auch schon wieder innehalten – Tinte kleckste aus seiner Feder auf das Blatt.
Der Klecks war dazu bestimmt, die einzige Spur auf dem Blatt zu bleiben. Denn just in dem Moment des Innehaltens zwischen seinem Entschluss und der ersten Schreibbewegung klopfte es an der Tür.
Er legte die Feder ab, stand auf, stapfte zwischen den weggeworfenen Papierknäueln zur Tür und öffnete.
Es regnete. Leichte Nässe hatte sich auf ihren Umhang gelegt und verlieh ihr eine Aura, als stamme sie aus einer anderen Welt. Allerdings lächelte sie ihn nicht an, streckte ihm auch nicht die Hand entgegen; sie tat nichts anderes, als ihn aus ihren großen, blauen Augen von Kopf bis Fuß anzustarren.
»Hallo«, sagte Phillippa schließlich. Ihre Stimme klang weich und erschöpft.
»Hallo«, erwiderte er. Als ihr Blick über ihn schweifte, wurde ihm plötzlich klar, dass er nur eine Hose trug, die Bandage um die Schulter und einen offenen Morgenmantel, aber sonst nichts. »Was machst du hier?«, platzte er heraus. Ihr Blick richtete sich wieder auf sein Gesicht.
»Darf ich … reinkommen?«, fragte sie mit einem nervösen Lächeln.
Er überlegte, was zu tun war, und beschloss, Phillippa nicht länger draußen stehen zu lassen, während der Regen sich wie ein Pelz auf ihren Umhang legte. Ihre Anwesenheit versetzte seine Nerven in die höchste Alarmstufe, doch er trat zur Seite und gestattete ihr den Zutritt.
»Danke«, sagte sie und ging an ihm vorbei in sein Arbeitszimmer. Vor dem Kamin blieb sie stehen und streckte die behandschuhten Hände zum wärmenden Feuer. Marcus verharrte reglos an der Tür. Wartete darauf, dass sie den ersten Zug machte.
»Was willst du hier?«, wiederholte er, diesmal aber so sanft, dass seine Worte wie Rauch in der Stille des Zimmers zu schweben schienen.
»Ich … ich wollte mich überzeugen, dass du bei guter Gesundheit bist«, stammelte sie und drehte sich zu ihm. »Seit fast einer Woche habe ich nichts mehr von dir gehört. Ich wusste nicht, ob … ob es dir gut geht.«
»Es geht mir ausgezeichnet. Um mich hättest du dir keine Sorgen machen müssen«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Um dich hätte ich mir keine Sorgen machen müssen!«, rief Phillippa beinahe lachend. »Marcus, als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du so krank, dass du immer wieder das Bewusstsein verloren hast … und dann bist du morgens einfach verschwunden! Eine Woche vergeht, ohne dass ich auch nur ein Wort höre, keine Nachricht über deinen Zustand, nichts. Du hättest tot sein können!«
»Es geht mir gut«, stieß Marcus grimmig hervor, »und vielen Dank für deine bisherige Unterstützung. Aber von jetzt an sollte mein Wohlergehen nicht mehr deine Sorge sein.«
»Wie könnte ich dir helfen, ohne darüber in Sorge zu sein?«, widersprach sie, während ihr die Tränen in die Augen stiegen. »Marcus, ich dachte … ich dachte, wir sind Freunde.«
»Wir hatten eine geschäftliche Vereinbarung. Deren Ende ich jetzt verkünde«, sagte er kalt.
Phillippa erstarrte. Ihr Körper spannte sich so sehr an, als könne schon die zarteste Berührung sie umwerfen.
»Du … du kannst beenden, was immer du willst«, entgegnete sie schließlich, und ihr Kinn hob sich wieder auf diese arrogante Weise, »aber das heißt noch lange nicht, dass ich mir über dein Wohlergehen keine Sorgen mache. Ich weiß zu viel. Marcus, um
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