Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
einen Mann, dem ein Auge und ein Arm fehlten, bemerkenswert gut aussah. Und zwischen den Porträts hing die britische Flagge.
»Lady Whitford hängt diese Porträts jedes Jahr auf, weil sie hofft, dass der eine oder andere der Gentlemen an den Festlichkeiten teilnimmt.«
»Aber ihr ist doch bewusst, dass Admiral Lord Nelson unabkömmlich ist, weil er verstorben ist, und dass der König … nicht ganz auf der Höhe ist?«
Ein Lächeln tanzte Phillippa um den Mund, als Marcus ihre Hand wieder in seine nahm und sie ihre Schritte machten. »Ich bin überzeugt, dass ihr die Krankheit des Königs bekannt ist und ihr nicht entgangen ist, dass Lord Nelson nicht mehr unter den Lebenden weilt. Aber nach dem zu urteilen, was Thomas Hurston von seiner Mutter erfahren hat, die zufällig eine sehr gute Freundin von Mrs. Markham ist, die wiederum Lady Whitfords Schwägerin ist, möchte Lady Whitford sich nicht den Anschein geben, sie huldige nur Wellington und dem Prinzregenten in der Hoffnung, die beiden mögen sich hier sehen lassen. Daher hängt sie auch die Porträts anderer Führungspersönlichkeiten unseres Landes auf, die unmöglich auftauchen können. Sie verstehen?«
Marcus blickte sie zweifelnd an und nickte zögernd, als er ihre Hand losließ und aufs Neue an ihr vorbeischritt.
»Es liegt auf der Hand, dass Wellington bis zu diesem Jahr unerreichbar war, aber vor drei Jahren hat der Prinzregent vorbeigeschaut, und da Lord Whitford die Kriegsanstrengungen so stark unterstützt hat … «
»Zu seinem eigenen finanziellen Vorteil«, bemerkte Marcus und erinnerte sich daran, wie begehrt Whitfords Gewehre und Pistolen bei den Soldaten waren.
»Da er die Kriegsmühen so unterstützt hat und er und Wellington demselben Klub angehören, kann es durchaus sein, dass ihre Hoffnungen dieses Jahr nicht enttäuscht werden.«
Wieder ergriff er ihre Hand; sie hielt ihn fest, während sie die Drehung vollführte.
»Kann durchaus sein, ist aber unwahrscheinlich«, gab Marcus zurück, »denn es ist bald Mitternacht. Nicht mehr lange, und der Festschmaus fängt an.«
»Ja«, stimmte Phillippa zu. Ihr fiel nichts mehr ein, worüber sie ohne den Vorteil privater Abgeschiedenheit noch hätten reden können, und so ließ sie es zu, dass sie den Tanz schweigend zu Ende tanzten.
Es war äußerst merkwürdig, aber Phillippa kam mehr und mehr zu dem Schluss, dass mit ihren Händen irgendetwas nicht stimmte. Immer wenn Marcus während der Drehung ihre Hand in seine nahm, spürte sie es.
Was lächerlich war, denn natürlich spürte sie es; natürlich besaß sie ein Empfindungsvermögen, das ihr verriet, ob jemand ihre Hand berührte oder nicht. Aber es war stärker als nur das. Es war, als ob ihre Hand auf ganz besondere Weise darauf reagierte, von Mr. Marcus Worth gehalten zu werden. Und dass sie daher auch sofort fühlte, dass er ihr fehlte, wenn er sie losließ.
Phillippa hatte schon Tausende Male getanzt, ganz zu schweigen von den zwei Walzern mit Broughton – aber so hatte sie noch nie reagiert. Seltsam, in der Tat.
Hör auf, Philly!, befahl sie sich und schüttelte sich kaum merklich, was Marcus natürlich nicht entging und ihn veranlasste, ihre Hand noch gefühlvoller zu umschließen.
Aber auch das half nicht.
Nein, in der Tat, es half nichts. Es führte nur dazu, dass Phillippa den nächsten Schritt verpatzte und in Miss Louisa Dunningham, die neben ihr tanzte, hineinstolperte.
Phillippa war überzeugt, gehört zu haben, wie jemand drüben auf der anderen Seite nach Luft schnappte. Dann ein Kichern. Dann Stimmen, die wie eine Welle durch den Saal wogten. Phillippa Benning verpatzte einen Schritt? Nein, ganz sicher nicht! Unmöglich!
»Alles in Ordnung?«, fragte Marcus ernsthaft besorgt.
Sie schaute auf und war erleichtert, dass außer Louisa und Marcus niemand ihren Fehltritt bemerkt hatte.
»Alles in Ordnung.« Sie lächelte strahlend. Zu strahlend vielleicht. »Es ist nur … ist so schrecklich stickig hier drinnen.«
Marcus schüttelte den Kopf, aber statt eines freundlichen Kommentars und der nächsten Drehung löste er sich aus der Reihe, ergriff ihre Hand und führte sie von den Tanzenden fort. Und in Anbetracht dessen, dass ihre Hand sich in seiner so schrecklich wohlfühlte, blieb ihr gar nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Kaum hatte sie sich von der Tanzfläche entfernt, blieb Marcus stehen, drehte sich zu ihr und schaute ihr ins Gesicht. »Sie sind ganz rot«, sagte er ernst, was sie nur noch mehr
Weitere Kostenlose Bücher