Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
einer Blockade und mit fliegendem Besteck beantwortet worden, mit dem die bestens gehüteten Geheimnisse jener Göttlichkeit bewahrt werden sollten, die die Küche bewohnte. Marcus nahm an, dass sein Feind ebenso große Schwierigkeiten haben würde, sich dort zu verstecken, wie er selbst. Damit blieb nur noch eine einzige Möglichkeit: Er musste schlicht wachsam bleiben und darauf achten, ob irgendwo Gefahr drohte. Und darauf hoffen, dass sie sich auch rechtzeitig zeigte.
Was also blieb Marcus Worth anderes übrig, als die bezaubernde, verwirrende Phillippa Benning in den Ballsaal zu führen?
Kaum hatte Phillippa Totty im Flur erblickt, hatte sie sich mit Eifer auf sie gestürzt und die gute Lady dazu gebracht, sie den ganzen Flur entlang zu einer zweiten Treppe zu begleiten. Ein vielsagender Blick hatte Marcus verraten, was sie im Schilde führte. Falls ihnen irgendjemand über den Weg laufen sollte, hätten sie jetzt immerhin noch Mrs. Tottendale bei sich. Alles würde den Anstrich von Schicklichkeit haben. Nur die Haupttreppe, über die Mrs. Tottendale gerade nach oben gestiegen war, durften sie nicht benutzen. Denn falls sie beobachtet wurden, würde man wissen, dass Totty sich Phillippa und Marcus eben erst angeschlossen und nicht die gesamte Zeit mit ihnen verbracht hatte.
Sie waren ermüdend, diese Tricks und Schlichen, zu denen man in der Gesellschaft greifen musste.
Marcus führte die beiden Ladys die Treppe hinunter und in den Raum, der ihm als Lord Whitfords Galerie bekannt war. Allerdings eine ohne Bilder – es wäre ja zu einfach für jemanden, sich ein Zimmer dem vorgesehenen Zweck entsprechend einzurichten – , stattdessen angefüllt mit Gewehren, Pistolen, Speeren, Bajonetten und Schwertern. Lord Whitford begeisterte sich für alles, was mit Waffen zu tun hatte. Und das so sehr, dass er ein kleines Vermögen damit gemacht hatte, Soldaten während des Krieges mit Waffen auszurüsten, die er selbst entworfen hatte. Aber Waffenhändler war Lord Whitford nicht, oh nein. Wer es wissen wollte und zuhören konnte, dem erklärte er, dass er sich als Künstler und als Sammler begriff. Angesichts der Tatsache, dass Marcus Feuerwaffen verabscheute, stöhnte er beinahe auf, als er den Mann am anderen Ende des großen Raumes erblickte, wie er dort einer kleinen Gruppe geduldiger Zuhörer einen Vortrag hielt.
»Und dies ist das älteste Gewehr mit Luntenschloss in meiner Sammlung. Wie Sie hier sehen können, hat es eine Feder, mit der die Ladevorrichtung bedient wird. Es stammt aus China. Fünfzehntes Jahrhundert. Mindestens. Ah, Mrs. Benning, Mrs. Tottendale, Mr. Worth! Gefällt Ihnen das Fest?«
Lord Whitford, ein leutseliger Zeitgenosse, war nicht ganz so groß wie andere Männer. Vielleicht war er der Meinung, dass ein Gewehr im Anschlag seine fehlende Körpergröße ausgleichen konnte. Er musterte Marcus, wie man einen Gegner musterte, verzog den bärtigen Mund dann aber zu einem Lächeln, da es auf der Hand lag, dass Marcus noch nie eine Bedrohung für irgendjemanden gewesen war.
Whitford ging hinüber zu Phillippa und Marcus. Die kleine Gruppe, die er mit seinem Vortrag in den Bann geschlagen hatte, nutzte die Gelegenheit, paarweise zu den verschiedenen Kunstobjekten in der großen Galerie zu schlendern.
»Oh, wir genießen das Fest in vollen Zügen«, erwiderte Phillippa mit der ihr eigenen Sanftheit, von der sie nie im Stich gelassen wurde. »Ich kann es kaum erwarten, Marcels diesjährige Köstlichkeiten zu probieren!«
»Äh, ja, genau«, ergänzte Marcus, als er spürte, dass Phillippa ihn unendlich zart am Ärmel zupfte. »Wir haben Ihre Sammlung bewundert, während wir weiterhin … unseren Appetit pflegen.«
Auf Whitfords rundem, glänzendem Gesicht erstrahlte ein unglaublich erfreutes Lächeln. »Hier ist die großartigste private Waffensammlung in ganz England zu sehen, wie der Kurator des Britischen Museums mir versichert hat, als er herkam und bat, sie ausstellen zu dürfen. Dem kann ich nicht zustimmen, jedenfalls nicht, solange ich lebe; ich genieße den Anblick der Sammlung viel zu sehr. In allem steckt eine Geschichte, und ich bin der Einzige, der sie erzählen kann. Was hätte ich noch zu tun, wenn die Waffen alle im Britischen Museum wären? Etwa hingehen und dort Führungen anbieten?«
Whitford lachte laut auf, zwang Phillippa und Marcus zu einem milden Lächeln und zustimmenden Worten.
»Diese hier sehen aber zu neu aus, um eine Geschichte haben zu können«, sagte Totty,
Weitere Kostenlose Bücher
Inherit the Dead Online Lesen
von
Jonathan Santlofer
,
Stephen L. Carter
,
Marcia Clark
,
Heather Graham
,
Charlaine Harris
,
Sarah Weinman
,
Alafair Burke
,
John Connolly
,
James Grady
,
Bryan Gruley
,
Val McDermid
,
S. J. Rozan
,
Dana Stabenow
,
Lisa Unger
,
Lee Child
,
Ken Bruen
,
C. J. Box
,
Max Allan Collins
,
Mark Billingham
,
Lawrence Block