Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
Traumpalast ganz für sich allein und als könne sie seine Freuden in vollen Zügen genießen. Sie tanzte hinter den großen Hecken, zwischen den blauen Hortensien und den hellen Ringelblumen, deren Pflanzung sie angeordnet hatte. Einen fröhlicheren Garten würde man nirgendwo finden. Sie gönnte sich ein luxuriöses Bad in der massiven Porzellanwanne mit Klauenfüßen, die sie in dem gefliesten und gestrichenen Vorzimmer ihres Schlafzimmers hatte installieren lassen. Sie war auch diejenige gewesen, die das gesamte Haus neu hatte möblieren lassen, als sie nach ihrer Erbschaft hatte feststellen müssen, dass das erste und zweite Stockwerk kurz vor dem vollständigen Verfall standen. Und sie war diejenige gewesen, die es perfekt eingerichtet hatte, als sie hatte feststellen müssen, dass sie den unten liegenden Zimmern, die nicht benutzt worden waren, mit ein paar Pfund extra ihre frühere Schönheit zurückgeben konnte.
Ihr gefiel der Gedanke, dass sie es in jedem Fall neu eingerichtet hätte, falls Alistair tatsächlich so zahlungskräftig gewesen wäre, wie er behauptet hatte. Und sie richtete sich ein als eine Frau, die die Absicht hatte, das großartige, strenge Herrenhaus am Grosvenor Square zu ihrem Heim zu machen. Falls er am Leben geblieben wäre. Aber dieses Haus gehörte nicht Alistair. Sie hatte ihn nie in diesem Haus gesehen, und sie hatten niemals als Mann und Frau hier zusammengelebt. Alistair Benning war nichts als eine Fußnote in der Geschichte des Hauses. Nein, es gehörte ihr und war genau nach ihren Bedürfnissen eingerichtet. Nur dass es seinen Namen trug.
Während sie dem aufdringlichen Ticken der Uhr lauschte, überhörte Phillippa beinahe das zarte Klopfen an der Wohnzimmertür. Und während sie das verschlungene Muster des Teppichs betrachtete, wäre ihr beinahe entgangen, dass die Tür geöffnet wurde und eine dunkel gekleidete Gestalt eintrat.
Und beinahe hätte sie nicht zu Tode erschrocken wie am Spieß geschrien.
»Heilige Muttergottes, hören Sie auf zu schreien!«, sagte Mr. Marcus Worth und presste sich die Hände auf die Ohren. Als der Schrei nicht wie verlangt aufhörte, verhinderte er größeren Schaden dadurch, dass er Phillippa die Hand auf den Mund drückte. Schließlich herrschte Schweigen.
»Ich bin’s nur«, sagte er leise. »Sie fangen doch nicht etwa wieder an zu schreien?«
Sie schüttelte den Kopf.
Er zog die Hand zurück. Kein Ton kam über ihre Lippen. Marcus entspannte sich.
Was sich als Fehler erweisen sollte.
Denn was die meisten Leute in ihren Kreisen nicht wussten, Marcus aber nur zu gut, besaß Phillippa Benning eine beeindruckende rechte Schlaghand.
Glücklicherweise zielte sie auf seine Schulter anstatt auf sein Kinn und traf mit einem eher wirkungslosen Haken einen kräftigen Muskel, sodass Marcus kaum Schmerz verspürte. Er grinste. »Autsch!«, stieß er gedämpft aus.
»Schscht«, gab sie zurück und schüttelte die Hand aus, die mit seiner Schulter Bekanntschaft gemacht hatte, »das war dafür, dass Sie mir solche Angst eingejagt haben. Aber ich habe den Schlag wohl mehr zu spüren bekommen als Sie. Das nächste Mal ziele ich in Ihren Magen.«
Er schüttelte den Kopf. »Es ist nicht empfehlenswert, einen Mann in den Magen zu schlagen. Es sei denn, er ist dort sehr weich.« Was, wie Phillippa zugeben musste, auf ihn nicht zutraf. »Sie könnten großen Schaden anrichten, sofern Sie höher oder tiefer treffen.«
»Über den Schmerz eines Tiefschlags bin ich gut informiert. Aber höher?«, erkundigte sie sich neugierig.
»Wenn Sie den Hals treffen, können Sie einem Mann die Luftröhre zerschmettern.«
»Hm. Das muss ich mir merken«, erwiderte sie. Marcus kam ein paar Schritte weiter ins Zimmer.
»Ihr … äh … Ihr Geschrei hat hoffentlich nicht Mrs. Tottendale oder die Dienerschaft aufgeweckt, oder?«, fragte er und ließ den Blick über die verschiedenen Türen des Wohnzimmers schweifen.
»Totty würde auch auf einem Schlachtfeld tief und fest schlafen. Was sehr nützlich bei einer Gesellschafterin ist«, antwortete Phillippa. Inzwischen neigte sie zu größerer Freundlichkeit ihm gegenüber, obwohl sie sich immer noch ärgerte. Wie konnte er es wagen, sie zuerst zu ängstigen, indem er in das Whitford-Haus zurückrannte, und jetzt wie ein Gespenst (oder ein unverschämter Eindringling) mitten in der Nacht bei ihr auftauchte? Andererseits war sie einfach nur erleichtert zu sehen, dass es ihm gut ging. »Und was die Dienerschaft
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