Ein Staatsgeheimnis Am Rhein
heran. Auf der einen Seite die verlorene Wahl und der bevorstehende Regierungswechsel, auf der anderen Seite Positionskämpfe um die Teilhabe an der Macht.« Der Präsident hob bedauernd die Schultern. »Freiberg, es tut mir leid, Sie müssen es allein versuchen. Aber bitte keine halsbrecherischen Unternehmungen oder spektakulären Fahndungen – und ja keinem Politiker auf die Füße treten. Denken Sie daran: Jetzt, in diesen Tagen und Stunden werden in Bonn für die nächsten Jahre die Weichen gestellt. Nur nicht mit dem Fuß zwischen die Schienen geraten! Die Auszeichnung der Dummen und die Bestrafung der Unschuldigen; das alles gehört zum mörderischen Spiel um Geld und Macht. Und in diesem Spiel ist die zweite Halbzeit angepfiffen. Also Vorsicht!«
»Wenn wenigstens die Dienste etwas wüßten. Ob Kriminalrat Sörensen weitergekommen ist?«
Auch Dr. Wenders winkte ab. »Vergessen Sie’s, Freiberg. Das 19. K. hat mir Fehlanzeige gemeldet. Aber die Burschen vom BND und CIA sind jetzt scharf darauf, von uns zu erfahren, was gelaufen ist. Sie müssen aufpassen, daß Ihnen die geheimen Wichtigtuer nicht in die Quere kommen.«
»Meine Kripo muß schneller sein«, ermunterte der Präsident. Dr. Wenders gab noch seinen sehr hilfreichen Spruch dazu: »Ich weiß, daß ich mich auf meine Pastorenkinder verlassen kann.«
Freiberg verzog nur wenig das Gesicht und rang sich ein Lächeln ab. »Ich danke für den Kaffee und für das Vertrauen in die Arbeit des 1. Kommissariats. Sie gestatten, daß ich mich verabschiede. Als erstes werde ich die Fahndung nach Andreas Falkenhorst einleiten.«
»Muß das sein?« fragte der Präsident. »Ich sagte doch: bitte Vorsicht und Diskretion.«
»Gehen Sie vorerst mal von einer Vermißtenanzeige aus«, bremste auch der Leitende den Eifer seines Kommissars. »Noch gibt es keinen begründeten Tatverdacht gegen Ministerialrat Falkenhorst.«
Freiberg war enttäuscht. Er hatte sich von diesem Gespräch eine größere Unterstützung erhofft. »Herr Präsident, nochmals Dank für den Kaffee. Ich werde alle erforderlichen Maßnahmen nach dem jeweiligen Stand der Ermittlungen treffen.« Leiser fügte er hinzu: »…und dafür die Verantwortung tragen.«
Dr. Wenders nickte: »Gut so. Sie werden es schon schaffen.«
»Aber Vorsicht!« wiederholte sich der Präsident. »Ich denke jetzt allerdings nicht an politische Verwicklungen – die werden wir schon irgendwie durchstehen –, ich denke an Sie und Ihre Mitarbeiter. Der Kampf im Dschungel der Dienste ist gnadenlos!«
Der Kommissar war aufgestanden. »Ja«, sagte er, »was wir brauchen ist Glück.«
Er ging an der aufschauenden Sekretärin vorbei, ohne sie wahrzunehmen.
»…auch noch ein Muffelkopp«, stellte sie fest, ohne daß Freiberg es hörte.
Der Kommissar wandelte langsam und in Gedanken versunken durch die kahlen Gänge. An einem der Flurfenster zum Innenhof verhielt er und blickte auf die gegenüberliegende gleichförmige Fassade des Gebäudes. Die Scheiben reflektierten das Bild der ebenso gleichförmigen Wand, aus deren Fenster er schaute. Langsam glitten die mittleren drei Finger der linken Hand über die Stirn. Ein Gedanke drängte sich vor: Die Zahlung an Falkenhorst muß eine dienstliche Beziehung haben. Für eine Bestechung ist die Summe zu groß – auch für ein Agentenhonorar. Die Verwendung des Siegels spricht für ein legales Geschäft. Freiberg schüttelte den Kopf: kein Lehrbuchfall aus dem »Pitaval«, wohl eher eine Blüte aus dem Bonner Sumpf.
Am Ende des Ganges summte der Aufzug. Die Technik gab mit einem Knacken die Tür frei. Lupus und Peters hatten sich zufällig getroffen und strebten in seltener Einmütigkeit dem Dienstzimmer ihres Kommissars zu.
»Der Mensch denkt und der Leitende lenkt.« Mit diesen Worten riß Lupus seinen Chef aus der Meditation. »Wissen die da oben mehr?«
»Die wissen nichts – und haben es nicht gern, wenn wir durch politische Fettnäpfchen vorwärtsstapfen. Aber ohne in, solche hineinzutreten, geht es wohl nicht.« Freiberg gab ein Zeichen mit dem Daumen. »Kommt Freunde, erst zu mir. Wir müssen uns freisprechen. Ahrens und die Kuhnert sind auch schon im Stall.«
Die Kommissarin ehrenhalber begrüßte ihre Männer mit lautem Hallo. »Wie immer?« fragte sie und ging, ohne Antwort abzuwarten, nach nebenan, um die Kaffeemaschine in Gang zu setzen.
Ahrens zeigte auf die ausgebreiteten Gegenstände: »Zutaten für die 7,65er; und hier das ominöse Dienstsiegel Nummer 26 mit
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