Ein Stern fliegt vorbei
abgewrackt und ausgeschlachtet. Dann waren alle auswechselbaren Silikonteile durch anderes Material ersetzt, und fast an allen fand Sabines Arbeitsgruppe schon Spuren der Silikonpest.
Es gelang auch sehr schnell, den Nachweis zu führen, daß die Ursachen dieser gefährlichen Erscheinungen tatsächlich lebende Erreger waren, in der Größe und in manch anderer Hinsicht vergleichbar den irdischen Viren. So blieben sie reaktionslos und unverändert, bis sie in unmittelbare Umgebung von Silikonen gerieten. Dann strebten sie dem Silikon zu, zerstörten es, indem sie sich davon ernährten und SiO 2 -Kristalle ausschieden, und vermehrten sich.
Auch das Funkgerät wurde fertig. Es war recht primitiv, aber nachdem man es an eine der verwaisten Antennen angeschlossen hatte, konnte man wenigstens Morsezeichen mit der WEGA austauschen, und so erfuhren die anderen Raumschiffe endlich, was sich zugetragen hatte, und konnten nach eingehenden Untersuchungen feststellen, daß sie frei waren von solchen Erregern, oder, wie sie nun bezeichnet wurden: Silikophagen.
Das war wunderbar in der doppelten Bedeutung des Wortes. Es war erstens Anlaß zu großer Freude und Erleichterung, denn es stand nun wenigstens fest, daß das Vorkommando arbeitsfähig geblieben war und die Verbindung zur Erde nicht abreißen würde; und es war zweitens erstaunlich – hatten doch die anderen Raumschiffe viel mehr und viel intensiveren Kontakt zu der Materie des Trümmerfeldes gehabt, von der doch wohl dieser Erreger herstammen mußte.
So war wenigstens die Lage geklärt – aber die war schlimm genug. Ob die Besatzung der SIRIUS gerettet werden konnte, das hing davon ab, ob ein zuverlässiges Desinfektionsmittel gefunden wurde. Denn die Verschleppung auch nur weniger Erreger würde die anderen Raumschiffe ebenso manövrierunfähig und unbewohnbar machen, und damit wäre das ganze Vorkommando verloren.
Und dieses Desinfektionsverfahren mußte gefunden werden binnen zweier Wochen – das war die äußerste Zeit, für die sich die Lebensbedingungen auf der SIRIUS aufrechterhalten ließen.
Desinfektion – das hört sich so leicht und selbstverständlich an. Aber diese Silikophagen hatten wie alles, was an Bord kam, den biologischen Filter passiert, bestehend aus Waschungen mit verschiedenen Lösungen, ultravioletter Bestrahlung usw. und sie hatten alle diese Prozeduren unversehrt überstanden; und die Katastrophe, die die kleinen Trümmerstücke erzeugt haben mochte, und die Raumkälte hatten ihnen auch nichts anhaben können – womit sollte man ihnen zu Leibe rücken? Die Aussichten für die Besatzung der SIRIUS waren nicht besonders gut.
Tage vergingen, ohne daß die Bemühungen Erfolg brachten. Auch für die Besatzungen der anderen Raumschiffe, die untätig zusehen mußten, wie die SIRIUS-Leute um ihr Leben kämpften, war diese Zeit nicht leicht. Alle strengten ihre Köpfe an. Auf die Hilfe der Erde war freilich nicht zu rechnen, da ein Funkspruch für den Weg hin und zurück immer noch über 20 Tage brauchte. Um so hartnäckiger wurde auf der SIRIUS gearbeitet. Chemikalien, Ultraschall, elektrostatisches Feld, elektromagnetische Schwingungen aller Wellenlängen – alles wurde ausprobiert, um die Silikophagen zu beeinflussen, immer neue Kombinationen der verschiedensten Bedingungen wurden ersonnen – aber die Erreger der Silikonpest erwiesen sich als unverletzlich, als genauso unverletzlich, wie es sonst die Silikone waren. Freilich: In Anwesenheit hochkonzentrierter Säuren und Laugen griffen sie die Silikone nicht an und teilten sich auch nicht, aber lebensfähig blieben sie.
Mit den Ehepaaren Hellrath und Gemba hatte sich auf der SIRIUS so etwas wie ein leitendes Kollektiv herausgebildet. Das war wie von selbst gekommen, aus den Bedürfnissen der Arbeit heraus, und da reguläre Sitzungen des Rates des Vorkommandos unter den derzeitigen Bedingungen nicht möglich waren, hatten die anderen Kapitäne und auch Kommandant Schtscherbin dem zugestimmt und diese Einrichtung für offiziell erklärt. Das war auch nötig, denn es entging diesen vier erfahrenen Kosmonauten nicht, daß einige Besatzungsmitglieder anfingen sich mit der Ausweglosigkeit der Situation abzufinden. Zum Beispiel hatte ein Funker aus den verschiedensten silikonfreien Teilen ein Tonbandgerät gebastelt und schlug vor, daß alle darauf ihre Abschiedsworte sprechen sollten, wenn… nicht wahr, für den Fall…
Es war aber nicht sosehr dieser Vorschlag, der die Leitung beunruhigte,
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