Ein Stern fliegt vorbei
Regenerationsanlage bis jetzt störungsfrei und mit voller Kapazität funktionierte. Er stand auf und sah nach. „Normal“, sagte er.
„Das freut dich“, stellte Yvonne fest.
„Ja, natürlich freut mich das.“
„Sonst nichts?“
„Was denn sonst?“ fragte Lutz. „Freut es dich etwa nicht, du – seltsamer Lungenatmer?“
„Wundert es dich nicht auch ein bißchen?“
Er stutzte. Dann hielt er ihr vor, mit einer Verwunderung in der Stimme, die schon ganz dicht neben dem Ärger lag: „Aber das stimmt doch mit unseren Berechnungen überein. Sie werden noch fünf Tage arbeiten, vielleicht auch vier oder sechs. Das weißt du doch so gut wie ich.“
„Wenn du das so gut weißt, warum siehst du dann nach dem Aerometer, jeden Abend, wenn du hier eintrittst?“
Er machte eine gereizte Bewegung.
„Nicht nervös werden, mein Lieber. Du siehst nach, weil die Berechnungen ja so genau nicht sein können und weil es sein könnte, daß auch die Kontrollgeräte nicht mehr einwandfrei funktionieren. Aber die Anlage läuft ohne die geringste Störung. Ich habe sie mir angesehen, sie verbraucht nicht eine Wattsekunde mehr Energie. Obwohl mindestens die erste Kaskade bereits verseucht sein müßte. Wenn sie es aber wäre, würde das den Ausstoß verringern und den Regler veranlassen, auf schnelleren Durchlauf zu schalten, was wiederum einen höheren Energieverbrauch zur Folge hätte. Folglich ist sie nicht verseucht. Es scheint also, daß die Anlage noch viel, viel länger arbeiten wird als berechnet, und ich möchte wissen, warum. Hast du dagegen etwas vorzubringen?“
Lutz war zu verblüfft, um zu antworten. Tausend aufgescheuchte Gedanken schwirrten in seinem Kopf herum, aber Yvonnes Stimme unterbrach ihn bei dem Versuch, Ordnung hineinzubringen.
„Dann setz dich hin“, forderte sie ihn auf, „und schreib das als erste Frage auf. Und nun wollen wir mal versuchen, unsere Fragen von neulich zu präzisieren!“
„Gut“, sagte Lutz, als er sich zurechtgesetzt hatte, „fang an!“
„Gut – warum tragen kleine Bruchstücke Silikophagen und große Bruchstücke und Planetoiden nicht?“ Yvonne dachte nach. „Genauer – welcher Unterschied des biologischen Milieus bestand zwischen großen und kleinen Körpern unmittelbar nach der Katastrophe? Denn offenbar muß doch die Annahme zutreffen, daß zwei Planetoiden kollidiert und sich gegenseitig zerstört haben.“
Lutz sagte: „Na, auf jeden Fall besteht ein Unterschied darin, daß die kleinen viel schneller auskühlten…“ Er schlug sich vor die Stirn. „Natürlich – beim Einfrieren und Wiederauftauen von Organismen spielt doch die Geschwindigkeit der Temperaturabnahme immer eine Rolle. So einfach ist das!“
„Na, na“, warnte Yvonne. „Mach wenigstens eine Frage daraus!“
Lutz schrieb.
„Und vorher?“ fragte Yvonne. „Als die beiden Planetoiden noch intakt waren – wovon haben die Biester da gelebt? Silikone kann es doch gar nicht gegeben haben.“
„Bist du sicher?“ fragte Lutz.
„Natürlich nicht“, antwortete Yvonne lachend. „Aber wir sind ja vorhin gerade deshalb kritisiert worden, weil wir uns nur Fragen gestellt haben, von denen wir ganz sicher wußten, daß wir sie auch beantworten können.“
„Und in welcher Richtung spekulierst du bei dieser Frage?“
„In welcher Richtung? Vielleicht – Mutation infolge von Einfrieren?“
„Na schön“, knurrte Lutz, nicht sehr überzeugt. „Bloß ich sehe nicht, was uns das helfen soll.“
„Wenn die Biester gar nicht von Hause aus Silikone fressen, sondern bloß, weil sie jetzt, sagen wir mal, abgehärtet sind, kann man sie vielleicht mit angenehmerer Kost wieder verweichlichen.“
„Laß das bloß keinen Fachmann hören“, sagte Lutz. „Du hast ja eine blühende Phantasie.“ Aber er schrieb es doch auf.
Yvonne und Lutz waren nicht die einzigen, die an diesem Tage ihrer Einbildungskraft die Zügel schießen ließen, und so kam eine ganz ansehnliche Liste von Fragen zustande. Von allen Fragen aber wurde die nach der Luftregenerationsanlage am heißesten diskutiert. Yvonne, Lutz und einige andere waren dafür, sofort einen der fünf selbständigen Stränge, aus denen die Anlage bestand, stillzulegen und zu untersuchen. Das bedeutete aber, die Kapazität der Anlage um 20 Prozent zu senken, es bedeutete, daß man die Sauerstoffreserven würde angreifen müssen und daß man folglich, falls das Ergebnis negativ ausfallen würde, die noch zur Verfügung stehende Zeit
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