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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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unserer Einschätzung zu, daß die Botschaft uns über eine Gefahr informieren soll?“
    „Ja – das muß man wohl“, sagte Duncan leise, und Henner nickte dazu.
    „Übrigens“, fuhr Duncan lauter fort, „die Frage nach dem Koordinatensystem für die Angaben im dritten Teil löst sich damit auch verhältnismäßig leicht. Die Längeneinheit wird unsere Astronomische Einheit sein, AE = 150 Millionen km, das ist der mittlere Abstand der Erde von der Sonne. Der Nullpunkt wird die Sonne sein, die Koordinationsachsen – warten Sie – ja, die werden möglicherweise durch die große und die kleine Achse der Erdbahn und den Nord- und Südpol der Ekliptik verlaufen!“
    Yvonne stand ohne ein Wort auf und setzte sich an ihr Rechenwerk. Ihre Finger flogen über die Tastatur – dann sank ihr Kopf nach vorn.
    Eine unbehagliche Stille breitete sich aus.
    „Was ist?“ fragte Nadja endlich.
    „Wenn das stimmt…“, begann Yvonne, brach aber wieder ab.
    „Was ist denn?“ fragte Nadja wieder.
    Yvonne hob den Kopf.
    „Ein kosmisches Objekt kommt auf uns zu. Mit 100 km Geschwindigkeit in der Sekunde. Entfernung 2000 AE. Sein Durchmesser ist doppelt so groß wie der Durchmesser der Mondbahn.“
    Alle waren aufgesprungen. Eine schwere, lange Minute lastete das Schweigen auf ihnen. Dann sagte Duncan Holiday, nicht ganz so trocken freilich, wie er es vielleicht gewünscht hätte: „Das sind rund dreihundert Milliarden Kilometer – macht drei Milliarden Sekunden –, bleiben uns also etwa hundert Jahre, bis es soweit ist. Wollen wir die stehend verbringen?“
     

II
    Die Kursrakete Erde-Mond war bereits in die Einflußsphäre des Mondes eingetreten und bremste nun, das Triebwerk dem Trabanten zugekehrt, ihren Flug. Yvonne hatte die Übelkeit noch nicht überwunden, die sie in der kurzen Zeit der Schwerelosigkeit während des Wendemanövers befallen hatte. Der junge Mann neben ihr, der schon die ganze Zeit ergebnislos versucht hatte mit ihr ins Gespräch zu kommen, bot ihr jetzt einen Kaffee an.
    Sie bedankte sich und betrachtete ihn zum erstenmal richtig: schmale, feingliedrige Gestalt, krauses schwarzes Haar, brauner Teint und – hellblaue Augen. Er lachte. „Ich hätte gar nicht gedacht, daß ich so sehenswert bin. Aber wenn Sie’s interessiert – Lutz Gemba vom Ostseestrand. Wundert Sie das? Mein Vater ist noch ein echter Afrikaner!“
    Yvonne bemerkte erst jetzt, daß sie ihren Nebenmann fast unverschämt angestarrt hatte, und wurde rot. „Yvonne Tullier“, stellte sie sich hastig vor und wurde noch verlegener, weil sie sich über ihre Verlegenheit ärgerte.
    „Na, nun geht’s schon wieder, was?“ fragte Lutz Gemba, und Yvonne zuckte mit den Schultern. Als hilfsbedürftiges Küken hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt, und sie fand sich in dieser Rolle nicht gleich zurecht.
    Der Nachbar, froh darüber, daß er endlich Kontakt gefunden hatte, plauderte weiter. „Es steht Ihnen zwar ausgezeichnet, aber im Kosmos sollte man nicht verlegen sein. Schauen Sie mich ruhig an, solange es Ihnen gefällt, wenn ich mich nur revanchieren darf.“
    Im Grunde war Yvonne ganz froh, aus ihren Grübeleien gerissen zu werden. Sie hatte seit der Sekunde, in der sich ihr der Sinn der Botschaft aus dem All enthüllte, ihr inneres Gleichgewicht noch nicht wiedergefunden. Nicht daß sie sich krank gefühlt hätte, aber sie beobachtete manchmal an sich selbst Reaktionen, die sie früher nicht gekannt hatte und über die sie sogar ein wenig beunruhigt war. Dabei würde der wichtige Auftrag, der sie jetzt auf den Mond führte, alle ihre Kräfte beanspruchen…
    „Fällt Ihnen nichts auf an uns beiden?“ fragte Lutz Gemba, der sie immer noch ansah.
    „Nein – was denn?“
    „Ihre dunklen Augen würden besser zu mir passen – und meine blauen besser zu Ihnen.“
    Yvonne entschloß sich, auf den Ton einzugehen. „Dann lassen Sie uns doch tauschen!“
    „Na ja“, sagte Lutz Gemba gedehnt, als wäge er das Angebot ab, „ich gebe ja zu, daß Ihre Augen sich hervorragend zum Hineinsehen eignen – aber ob ich damit soviel anfangen könnte wie mit meinen?“
    „Sind Sie denn darauf angewiesen?“
    „Allerdings, ich bin Pressekorrespondent – Interpress, Sektion Kosmos. – Nebenbei bin ich Raumschiffkapitän, aber das ist mein Beruf, damit gebe ich nicht so an.“
    Yvonne lachte. „Und Sie glauben, Sie sehen mehr als ich?“
    „Machen wir doch eine Probe! Hier soll jemand von der Weltsicherheitskommission an Bord sein,

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