Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
der Ekliptik. Die Maßeinheit könnte unsere AE sein. Wir bitten Sie, durch Radar diese Entschlüsselung zu überprüfen.“
    Der Direktor besah sich die Zahlen und runzelte die Stirn. Wie alle Leute, die ständig mit Zahlen umgehen, konnte er vieles auf Anhieb sehen, was andere erst nach langen Berechnungen herauskriegen; und hier kam ihm die proportionale Abnahme der Größen in den drei Reihen sehr verdächtig vor. Er zog den Tischrechner heran und ließ die Finger auf den Tasten tanzen. Dann lag seine Hand lange bewegungslos vor dem Gerät.
    Er schüttelte den Kopf, als wollte er ein Insekt verscheuchen – seltsame Geste auf dem Mond! – und setzte an, die Rechnung zu wiederholen, aber Yvonne unterbrach ihn. „Sie brauchen nicht noch einmal zu rechnen. Es stimmt schon: Das kommt auf uns zu. Uns bleiben etwa hundert Jahre.“
    Der Direktor blickte Yvonne an, ohne sie zu sehen. Wahrscheinlich hätte ihn die Nachricht noch stärker erschüttert, wenn nicht ein junges Mädchen sie ihm gebracht hätte, das er obendrein eben noch ein wenig geringschätzig betrachtet hatte. Hundert Jahre… Ich werde es nicht mehr erleben, aber sie… Begreift dieses Mädchen eigentlich, was sie weiß?
    Yvonne ahnte, was in dem Direktor vor sich ging. Sie war der erste Mensch gewesen, der die Botschaft hatte lesen können; in dem Augenblick, als sie sie begriff, war ihr, als müsse ihr das Herz stehenbleiben. Jetzt sah sie, wie scheinbar gefaßt der alte Wissenschaftler die Nachricht aufnahm, und bewunderte ihn dafür.
    Der Direktor hob unbewußt die Hand, als wolle er ums Wort bitten. Er war mit sich ins reine gekommen. Wenn der Mensch vor Unfaßbares gestellt wird, kann ihm nur Denken helfen.
    „Es gibt drei Möglichkeiten“, begann er langsam. „Entweder dieses Objekt – wie Sie sagen – ist ein kompakter Körper, dann ist kaum Rettung möglich. Oder es handelt sich um eine interstellare Staubwolke, dann kann es Probleme geben, aber keine unlösbaren. Oder es handelt sich drittens um ein Feld aus mehr oder weniger großen Brocken – dann kann man erst nach genauer Prüfung der Umstände Prognosen stellen. Wir müssen also zunächst das Objekt orten.“ Er schwieg einen Moment und fuhr dann fort: „Das ist schwierig. Da aus den Zahlen nicht hervorgeht, welche Orientierung das Koordinatensystem hat – das heißt was als oben und unten, links und rechts und so weiter angesehen wird –, gibt es 48 mögliche Richtungen. Wir müssen ferner einen größeren Streuungswinkel für die auszusendenden Impulse haben, da wir mit einer gewissen Ungenauigkeit der Angaben rechnen müssen. Das wäre alles zu schaffen, aber…“ Er betätigte den Tischrechner und sprach dann weiter, sich immer wieder mit Rechenoperationen unterbrechend: „Schwieriger ist es schon mit der Entfernung. 2000 AE – ob die reflektierte Strahlung da noch stark genug ist für unsere Empfänger… Bei festen Körpern von einiger Größe könnten wir es schaffen… einiges umkonstruieren, und dann die ganze Energiekapazität des Mondes… Ja, in einer Woche könnten wir senden. Die Signale brauchen dann hin und zurück etwa 24 Tage.“
    Er zögerte etwas, setzte dann hinzu: „Wenn das Experiment gelingt. Aber es wird. Sie können beruhigt zur Erde zurückfliegen, in nicht ganz einem Monat…“
    „Ich bleibe hier“, sagte Yvonne.
    „Warum? Es wird langweilig sein für Sie.“
    „Wissen Sie, auf dem Mond – “ Yvonne biß sich in die Unterlippe. „Vielleicht kommt es Ihnen albern vor, aber hier hab ich das Gefühl, ich bin näher dran… an diesem…“
    Der Direktor bemerkte, daß er diese Frau immer noch unterschätzte. „Sie wollen…?“
    „Keine Sorge – es ist nicht die Schockreaktion. Ich renne nicht aus Angst vor dem Feuer ins brennende Haus. Aber ich gebe zu, Blumenzüchten, das könnte ich jetzt auch nicht. Im Ernst: Es wird doch komplizierte Berechnungen geben. Was haben Sie für Rechentechnik hier?“
    Der Direktor nannte einige Bezeichnungen von schon fast veralteten Typen.
    Yvonne strahlte. „Das ist genau mein Fall – aus diesen alten Keksschachteln etwas herauszuholen, überlassen Sie das mir, ja?“
    Der Direktor wollte etwas sagen, aber in diesem Moment wurde die Tür ganz unseriös aufgerissen, und herein stürzte – Lutz Gemba, Yvonnes Nachbar aus der Rakete. Plötzlich wurde ihr klar, warum ihr der Direktor bekannt vorgekommen war: Sie hatte hier Vater und Sohn vor sich. Daß sie so zerstreut gewesen war, nicht auf den Namen zu

Weitere Kostenlose Bücher