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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Er hat es auch wirklich verdient…“
    Yvonne war zerstreut. Die letzten Stunden hatten sie doch viel Beherrschung gekostet, und nun fühlte sie eine nervöse Abspannung. Sie erhob sich, wandte sich an Lutz und verlangte: „Ich möchte jetzt meine Strafe antreten.“
    In Wirklichkeit war sie gar nicht so darauf erpicht, aber es wäre ihr unerträglich gewesen, jetzt allein zu sein, und sie erhoffte sich Ablenkung durch die neuen Eindrücke, die sich ihr zweifellos bieten würden. Aus Besorgnis bot Lutz ihr an, den Ausflug zu verschieben, aber sie bestand eigensinnig darauf.
     
    Als sie in ihrem plumpen Geländewagen aus dem Tunnel heraus an die Mondoberfläche fuhren, schaltete Lutz die Innenbeleuchtung ab. Es war Nacht, aber beinahe Vollerde, und in dem Maße, wie die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, traten die bizarren Formen der Umgebung immer härter hervor. Kein Vergleich mit einer Mondnacht auf der Erde, die ja auch kahle Baumäste gruselig und Nebelstreifen gespenstisch aussehen läßt. Hier, unter diesen Lichtverhältnissen, gelang es Yvonne nicht einmal, sich eine Vorstellung zu machen vom wirklichen Aussehen der Umgebung, und so kam es, daß Lutz’ Erklärungen an ihrem Ohr vorbeigingen und sie ihren Blick auf den heimatlichen Planeten richtete.
    Hoch am schwarzen Himmel stand die Erde, solide und beständig aussehend. Yvonne sah die Kontinente und Meere, sah, wo Frankreich lag, fuhr im Geiste wie mit einer Kamera darauf zu, bis sie Paris, ihre Heimatstadt, wie aus dem Flugzeug zu sehen vermeinte, so, wie sie es hundertmal gesehen hatte, Paris, wie alle Städte das Werk von Jahrhunderten und Jahrtausenden, aber was bedeuten diese Zeiträume, wenn man kosmische Maßstäbe anlegt? Sie war ja nun doch allein – allein mit ihrem Wissen von der Gefahr; und zum erstenmal wurden ihr die Ausmaße der zu erwartenden Katastrophe gegenständlich und anschaulich. Die ferne Erde, der Mond, von dem aus sie die Erde sah, waren ja klein gegen das, was da aus den Tiefen des Weltalls auf sie zukam. Yvonne schauderte.
    Lutz, der sie beobachtet hatte, schaltete die Innenbeleuchtung ein und legte den Arm um ihre Schultern. „Wollen Sie mir nicht sagen, was Sie bedrückt?“ Aber Yvonne hörte ihn nicht. Ihr ganzer Charakter rebellierte gegen die Beklemmung, die sie schon wieder zu befallen drohte. Ihr lag plötzlich – sie hätte nicht sagen können warum und woher – das Geräusch des mittleren Teils der Sendung im Ohr, jenes Auf- und Abschwellen des Tons, mehrfach hintereinander, und gleichzeitig hatte sie das untrügliche Gefühl, dicht vor einer Entdeckung zu stehen. Sie wandte sich an Lutz. „Schalten Sie das Licht aus, schnell! Stellen Sie den Motor ab. Sagen Sie nichts!“
    Lutz tat, wie ihm geheißen, verwundert und sogar ein wenig besorgt, denn er konnte sich die hastigen, kurzen Atemzüge seiner Gefährtin nur mit einem Unwohlsein erklären. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Das Erkenntnisgefühl, das eines der stärksten, berauschendsten Genüsse sein kann, hatte in Yvonne alle Abspannung und auch das Schaudern fortgewischt. Sie strengte sich an, sich den Mittelteil der Sendung noch deutlicher ins Gedächtnis zu rufen, und blickte dabei unverwandt die Erde an. Und plötzlich war es da: Sie sah im Geiste ein optisches Modell für diese Töne – kleine Bälle, Meteoriten vielleicht oder Asteroiden, kamen aus der Tiefe des Kosmos auf sie zu, wurden immer größer und flogen dann zwischen ihr und der Erde vorbei – halt! Sie stoppte gedankenschnell die Vision ab, denn sie wußte jetzt, was das Signal bedeutete, und sie wußte auch, was der Knall am Ende des Signals zu besagen hatte. Die dritte Variante! Das, was Loto Gemba als dritte Möglichkeit bezeichnet hatte! Ein Feld von größeren Körpern war es, kein kompakter Körper und auch keine Zusammenballung von Staub. Es hatte also noch mehr in diesem Mittelteil der Sendung gesteckt, nicht nur die bloße Warnung.
    „Fahren Sie nach Hause, schnell“, kommandierte sie. „Aber…“, wollte ihr Begleiter einwenden, doch Yvonne ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Es ist wichtig, fragen Sie nicht lange, wieso und warum!“
    Lutz unterdrückte eine Erwiderung. Er hätte gekränkt sein können, und er war es wohl auch ein wenig, aber er hatte eine viel zu gute Nase für Ausnahmesituationen, um nicht zu spüren, daß dahinter etwas Besonderes stecken müsse; und sein Verdacht, der ihn eigentlich auf den Mond geführt hatte, nämlich daß mit den

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