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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Hundertmeterstange, die sich normalerweise übrigens unter ihrem eigenen Gewicht um viel mehr als einen halben Millimeter durchbiegen würde, die man also gar nicht in ganzer Länge anheben könnte.
    Der Laser-Strahl ist nur scheinbar und nur auf irdische Entfernungen ein Strahl, also eine gerade Linie. In Wirklichkeit ist er ein – wenn auch sehr, sehr spitzer Kegel mit einem verschwindend kleinen Winkel an der Spitze: 0,02 Bogensekunden groß ist dieser Winkel; das würde bei unserem Beispiel mit der Stange ein Hundertstel Millimeter bedeuten, auf die Entfernung bis zur Proxima Centauri aber etwa 4 Millionen Kilometer – eine Breite, bei der der Empfang der ausgestrahlten Signale noch möglich sein müßte.
    Um aber den Strahl überhaupt richten zu können, müßte die Richtungsmechanik wenigstens über eine Genauigkeit von einem Zehntel dieses Betrages verfügen, also von zwei Tausendstel Bogensekunden. Die Strecke, um die man unsern Hundertmeterstab anzuheben hätte, würde dafür im Bereich der Wellenlängen des sichtbaren Lichts liegen. Es schien, daß eine solche Richtmechanik undenkbar wäre, weil schon die Wärmeschwingungen der Moleküle dieser Mechanik die Richtung erheblich verändern würden, ganz zu schweigen von den seismischen Schwingungen der Mondoberfläche, den Spannungen im Material und so weiter.
    Und dennoch hatten die Konstrukteure eine Lösung gefunden oder richtiger: ein Dutzend Lösungen – für jede auftauchende Schwierigkeit eine andere. Die Füße des „Seesterns“, mit dem Strahler starr verbunden, gingen 500 Meter weit in das Gebirge. Sie bestanden aus einem sehr leichten Material und waren so konstruiert, daß der ganze Seestern bei -200° Celsius fast spannungsfrei war. Die drei Stollen, durch die die Füße liefen, endeten in Richtkammern, deren Profil so gehalten war, daß seismische Wellen um sie herumliefen. Jede dieser Kammern enthielt ein hydraulisches Hebewerk, das zusätzlich durch ein Staubbett gegen Schwingungen gesichert war und das den Fuß um einige Millimeter heben und senken konnte, bei einer Genauigkeit von einem hundertstel Millimeter. Die Grobeinstellung des Strahlers, der einmal im Monat in die gewünschte Richtung zeigte, konnte so bis auf ein Tausendstel Bogensekunde präzisiert werden. Optische Meßgeräte, Rechenwerke, Temperaturregler und andere Vorrichtungen vervollständigten die hier nur in ihren Prinzipien beschriebene Anlage.
    Und selbstverständlich würde hier alles automatisch arbeiten müssen. Kein menschlicher Fuß durfte den Boden erschüttern, wenn hier gesendet werden würde. Aber bis dahin würde der Mond noch ein paarmal um die Erde wandern müssen. Jetzt, wenige Wochen nach der großen Pressekonferenz, wurden noch die großen Klappschalen auf den Kraterrand montiert, die sich außerhalb der Sendezeiten über der Anlage zur schützenden Kuppel schließen sollten.
    Auf einem noch freien Abschnitt des Kraterrandes, wo sich der Boden etwas senkte und wo deshalb wohl noch aufgeschüttet werden mußte, standen zwei Gestalten in Raumanzügen und beobachteten die Arbeiten an der Verschalung. Fahrzeuge der verschiedensten Arten und Größen krochen rings um den Krater hin und her, gossen hier Fundamente aus, schleppten dort Kuppelschalen herbei, montierten – das alles hätte auf einen Mondneuling unfehlbar gespenstisch wirken müssen, einesteils wegen der langen, scharfen, absolut schwarzen Schatten, und andererseits, weil es der fehlenden Atmosphäre wegen vollkommen geräuschlos vor sich ging.
    Die beiden Beobachter waren aber keine Neulinge.
    Loto Gemba inspizierte den Stand der Arbeiten gemeinsam mit Kathleen Potter, einer jungen Amerikanerin, Radartechnikerin des Observatoriums, die sich bei der Konstruktion des Senders Verdienste erworben hatte und als Abnahme-Ingenieur für den Sender eingesetzt worden war.
    Da sie sich auf dem Bauplatz befanden – und noch dazu unangemeldet, wie Loto plötzlich einfiel –, mußte ihr Helmfunkgerät auf die Welle des Dispatchers eingestellt und auf Empfang geschaltet bleiben. Sie durften den Funk für ihre Unterhaltung nicht benutzen. Für solche Fälle gab es eine Art Telefonverbindung zwischen den Raumanzügen: Jeder Helm verfügte über ein leichtes ausziehbares Kabel, das sich mit dem des anderen koppeln ließ.
    „Es zieht mich doch immer wieder her“, stellte Kathleen fest. „Obwohl ich hier gar nichts zu tun habe. Aber es geht mir immer noch zu langsam, es kann mir gar nicht schnell genug

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