Ein Stern fliegt vorbei
recht, wohin damit. Auch die Schichtführerin war unschlüssig, und so bahnte sich eben eine schleppende Diskussion an, als das Telefon klingelte.
Loto ließ sich den Hörer reichen und vernahm Yvonnes Stimme. „Salut, Loto Gemba“, rief sie lachend. „Wo hast du dich denn versteckt? Ich suche schon den ganzen Mond nach dir ab.“
„Hallo, Yvonne“, rief er erfreut. „Wo kommst du denn her? Ich denke, du machst die STARTSTUFE II unsicher?“
„Zwischenstation. Es ist da ein alter Brummbär auf dem Mond, den will ich in seinem Zwinger besuchen. – Aber es scheint, ich störe. Wie lange mußt du noch sitzen?“
„Bin gleich fertig. Warte inzwischen auf mich im Klub, ich bin hier im Terra-Bau.“
Er wollte sich eben verabschieden, als Ljuba ihn zaghaft an den Arm tippte. „Warte mal“, rief er und drehte sich um.
Ljuba wies auf den Hörer und fragte aufgeregt: „Das ist doch Doktor Tullier – darf ich mal…“
„Hier ist, scheint’s, noch jemand, der dich sprechen möchte“, sagte Loto und gab Ljuba den Hörer.
„Wonnitschka, Wonnemädchen, ich denk, ich hör nicht recht“, sprudelte Ljuba los. „Du bist hier? Erkennst du mich noch? Was machst du, wie geht es dir?“
Das war nicht mehr die gesammelte, sachliche Schichtführerin, die eine Versammlung leitete, sondern ein Mädchen von zwanzig, halb Backfisch noch, und es dauerte eine ganze Weile, bis Yvonne zu Wort kam.
„Lulu? Was machst du denn hier? Ich denke, du bist…“
Loto Gemba mußte feststellen, daß er Yvonne von dieser Seite noch nicht kennengelernt hatte – zum Glück! dachte er. Mit sanfter Gewalt mußte er Ljuba den Hörer aus der Hand nehmen. „Ihr könnt ja noch lange genug schwatzen, jetzt müssen wir hier aber erst mal unsere Sache zu Ende bringen. Verabredet euch jetzt.“ Sie taten es, und Ljuba legte gehorsam auf.
„Woher kennen Sie übrigens Doktor Tullier?“ fragte er Ljuba.
„Wir haben vorigen Monat zusammen unser M gemacht“, antwortete sie. „Mit Auszeichnung“, setzte sie stolz hinzu.
Aber dann war sie gleich wieder die ernste, energische Schichtführerin, die ihre Versammlung schnell und konzentriert zu Ende führte.
Lotos Gesicht leuchtete, als er auf Yvonne zueilte; aber dann, als er vor ihr stand, entdeckte sie einen Ausdruck von Bitterkeit um seinen Mund, der ihn plötzlich alt erscheinen ließ.
Yvonne lächelte verwirrt. Ich muß ihn vor allem von dem Gedanken an seinen Arm abbringen, dachte sie.
„Hauptsache, euer Unfall hat den Test heute nachmittag nicht aufgeschoben, sonst wäre ich ja fast umsonst gekommen.“ Sie setzte das charmanteste Lächeln auf, dessen sie fähig war. „Wenn man von dem Besuch bei einem brummigen alten Mann absieht, der sich um die Stelle eines Schwiegervaters bewirbt.“
Loto sah sie mit gespielt strengem Mißtrauen an. „Du machst das ja schon ganz geschickt, aber ich weiß genau, du willst nicht mit mir über meinen Arm sprechen. Als ob ich ein kleines Kind wäre! Ich weiß inzwischen Bescheid: Es wächst nicht zusammen, ich muß auf die Erde zurück. Na und? Die Kaffeemaschine steht da rechts im Schrank. Mach nicht so ein Gesicht wie ein begossener Pudel, ich hätte dir auch lieber einen anderen Empfang bereitet, aber nun weißt du wenigstens, wie dein Lutz mal aussehen wird, wenn er Ärger hat. Doppelte Portion, wenn ich bitten darf, so, und nun brüh auf, dabei kannst du dich von dieser Begrüßung erholen, und bis du damit fertig bist, wird mir auch was einfallen, wie ich mich für meine Grobheit entschuldigen kann. Zum Beispiel so: Jedes Alter hat seine Privilegien – die Jugend hat das Vorrecht zu gurren, und das Alter hat das Vorrecht zu knurren. Es duftet aber gut, was du da gekocht hast. Setz dich her und gieß ein! So, und was meinst du nun: Ob mir meine künftige Schwiegertochter zusagt?“
Yvonne hatte während Lotos langem Monolog den Kaffee aufgebrüht. Sie setzte sich zu ihm und ging gern auf den Ton ein, den er in seinen letzten Sätzen angeschlagen hatte, vor allem deshalb, weil es ihr damit möglich wurde, ihre – wenn auch ganz kleine – Verlegenheit zu überspielen.
„Was ich dazu meine? Hm. Es war da von gewissen Vorrechten die Rede, aber die will ich nicht in Anspruch nehmen. Nein, ich werde mich voll und ganz dem Urteilsspruch des Alters unterwerfen. Das heißt, natürlich nur dann, wenn er positiv ausfällt.“
„Tut er ja, hat er von Anfang an getan“, versicherte Loto, nun über das ganze Gesicht strahlend. „Weißt
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