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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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du, nimm es mir nicht übel, wenn ich ins Reden komme – Freude fördert im Alter die Geschwätzigkeit. Ich bin ganz begierig zu erleben, wie es mit euch wird. Was meinst du, was wirst du tun, wenn ihr euch zum erstenmal verkracht? Ich weiß ganz genau, was du jetzt denkst, daß euch das nie passieren wird und daß die Alten immer ihre Lebenserfahrungen auspacken müssen und daß…“
    „Stop!“ Yvonne schnitt ihm lachend das Wort ab. „Generationsprobleme waren vor ein paar Jahrhunderten modern. Einigen wir uns doch darauf: Für einen guten Schwatz bin ich immer zu haben, noch dazu mit sympathischen Menschen und über einen erfreulichen Gegenstand. Einverstanden?“
    „Na, ich weiß nicht, wenn du den ersten Krach in der Ehe einen erfreulichen Gegenstand nennst. Ich jedenfalls habe damals ziemlich gelitten darunter. Nach unserm ersten Krach hab ich mich auf den Mond gemeldet. Damit wir uns nie wieder über den Weg laufen. Meine Frau war nämlich Geologin.“ Er lachte, schwieg dann und hing seinen Gedanken nach.
    „Und dann?“
    „Dann? Dann hab ich’s nicht ausgehalten und bin nach vierzehn Tagen doch auf die Erde geflogen.“ Wieder schwieg er.
    „Na, und dann?“ fragte Yvonne. „Wo bleibt die versprochene Geschwätzigkeit?“
    „Dann hab ich sie nicht gefunden. Weil sie zur gleichen Zeit auf den Mond geflogen war, um mich zu suchen. Unsere Dickköpfe hatten eben das gleiche Format.“
    Yvonne lachte leise und glücklich. Loto zog eine Schublade auf und nahm ein Bild heraus. „Das ist sie. Bei einer Höhlenexpedition ist sie ums Leben gekommen. Später, als Lutz fünf Jahre alt war. Deshalb wollte ich nie auf die Erde zurück; weil die Erde sie… eine Marotte. Na, hören wir auf mit dem Unterricht in Familiengeschichte. Euer Leben wird ja wohl ganz anders verlaufen; es steht unter einem anderen Stern. Hat gar nichts zu sagen, wenn dieser Stern ein Planetoidenhaufen ist. Ihr habt den Vorteil der ganz großen Aufgabe – wenn das ein Vorteil ist. Zum Wohl!“ Er hob die Kaffeetasse wie ein Weinglas, mit parodierter Feierlichkeit. Nachdem er getrunken hatte, fuhr er fort: „Und ich muß nun doch auf die Erde zurück. Und wahrscheinlich dort bleiben, sagen die Ärzte. Das Knochengewebe reorganisiert sich nicht mehr – Folge des verminderten Gewichts. Oder des Alters. Und mit den Muskeln wird es kritisch, wenn ich jetzt so lange keine Kraftgymnastik treiben kann. Na ja, reden wir lieber von euch. Erzähl mir was von Lutz. Wo steckt er, was tut er jetzt?“
    Nun kamen sie wirklich ins Schwatzen, und die Zeit verging wie im Fluge, bis ein Signal sie daran erinnerte, daß es Zeit zur Abfahrt war. Alle an der Installation des Senders Beteiligten versammelten sich zum ersten Test in der Zentrale des Senders, die einige Kilometer von der Anlage entfernt in etwa zwanzig Meter Tiefe eingerichtet worden war. Als Testziel für den Sendestrahl sollte eine Kursrakete der Strecke Erde-Mond dienen, die zu diesem Zweck nur um ein paar Tausend Kilometer von der normalen Flugbahn abzuweichen brauchte.
    Die Zentrale sah mit ihrer Unzahl von Bildschirmen, Lampen, Skalen und Drucktasten nicht um einen Deut anders aus als die Zentrale irgendeiner großen irdischen Produktionsstätte. Kurven huschten über die Mattscheiben, hier regelmäßig, wellenförmig, dort bizarr geschwungen und gebrochen; manche stabilisierten sich für einen Augenblick und kamen dann wieder in Bewegung, andere zeigten trügerische Ruhe, die hin und wieder von plötzlichem Aufbäumen unterbrochen wurde; über andere Bildschirme wanderten Schauer von Farbfunken; Lämpchen glommen auf und erloschen, rote, blaue, gelbe, grüne, jedes in anderem Rhythmus; Lichtpunkte liefen auf langgestreckten oder kreisrunden Skalen ziellos hin und her und blieben schließlich zitternd irgendwo stehen – ein scheinbar verwirrendes Spiel abstrakter Phantasie.
    Nur dem darauf trainierten Gehirn des überwachenden Ingenieurs war es möglich, den Signalen eines bestimmten Sektors dieser halbrunden Armaturenwand Informationen zu entnehmen; aber selbst für den Fachmann gehörte der Dienst in der Zentrale zu den schwersten Arbeiten. Denn was für den Beschauer eine Minute lang interessant aussieht, ja fast zu einem ästhetischen Erlebnis moderner Technik werden kann – das wird zu einer nervlichen Strapaze, wenn man es eine ganze zweistündige Schicht lang verfolgen und vor allem verstehen muß. Absolute Ruhe mußte dabei herrschen. Selbst die Verständigung von Sektor zu

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