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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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ohne Gedanken. Er fragte sich nicht nach dem Grund, warum sie gekommen war, er wußte ihn, ohne zu überlegen. Sie waren in den letzten Monaten einander unmerklich nähergerückt, jedesmal wenn sie sich sahen. Sie hatten nie über ihre gegenseitigen Beziehungen gesprochen. Aber er hatte von Anfang an gespürt: Es verband sie etwas, das zu blühen begann und Reife versprach, und ihm war, als sei das Versprechen nun eingelöst. Er wartete. Seltsamer Widerspruch – ihm, dessen größte Lust sonst war, die Ereignisse zu treiben, ihm wäre es jetzt wie eine Roheit vorgekommen, irgend etwas zu tun, was die Zeit zwingen würde, schneller zu fließen.
    Yvonne sah an seiner entspannten, schlanken Hand, daß Ruhe in ihn eingezogen war. Aber wenn sie nun auch froh war über diese neu entdeckte Art, zärtlich zu sein – Tatenlosigkeit war nicht nach ihrem Geschmack. Sie erhob sich. „Ich werde Kaffee machen.“
    Er lehnte den Kopf zurück, schloß die Augen und verfolgte mit dem Gehör, wie sie sich bewegte, mit dem Geschirr klapperte. Er hörte, wie sie innehielt, und wußte, daß sie in seinem Gesicht las. Er öffnete die Augen und sah, daß sie ihn wirklich anblickte.
    „Und du weißt es ganz genau?“ fragte sie.
    „Ja, ganz genau. Ich liebe dich.“
    Und obwohl sie es beide ganz genau gewußt hatten, waren sie doch betroffen von der Einmaligkeit des Augenblicks, blieben einen Moment lang bewegungslos – und waren dann verlegen, wußten nicht, was sie tun sollten, denn alles, was sie hätten tun können, wäre ihnen albern vorgekommen.
    Yvonne brach den Bann, indem sie sich wieder dem Geschirr zuwandte. Da sprang Lutz auf, nahm ihr aus den Händen, was sie gerade darin hielt, und umarmte sie.
    Später sprachen sie über die Zukunft; darüber, daß die kosmische Gefahr und ihre Bekämpfung ihr Leben bestimmen würde und wie sie es einrichten würden; aber alles erschien ihnen klar und einfach, so daß sie von diesem großen, romantischen Gesprächsstoff bald genug hatten und lieber miteinander in die Nacht hinausliefen, die sich inzwischen über die Siedlung gesenkt hatte.
     
    Apparaturen und andere technische Systeme haben im Gegensatz zu biologischen Organen häufig eine sonderbare Eigenheit: Das Teil, worauf es ankommt, das Herzstück sozusagen, nimmt den geringsten Raum ein. Man braucht nur an den Aufbau eines Atomreaktors zu denken und daran, wie die aktive Zone gleichsam überwuchert wird von seinen Hilfsvorrichtungen: Sicherheitseinrichtungen, Austauscher, Mantel…
    Ähnlich verhielt es sich mit dem Sender Terra, der die Antwort der Erde senden sollte, nur daß die Proportionen hier noch frappierender verschoben waren. Der Sender wurde in einem kleinen Krater in hohen südlichen Mondbreiten installiert und stand kurz vor der Vollendung. Wenn man vom Kraterrand in den etwa fünfzig Meter breiten und knapp zwanzig Meter tiefen Krater hinunterblickte, sah man die Sendeanlage wie einen riesigen Seestern, der die eine Wand hinaufzukriechen schien. Bei genauerem Hinsehen bemerkte man jedoch, daß die drei Beine in den Wänden des Kraters verschwanden. Der eigentliche Strahler, ein Kristall-Laser von etwa zwei Meter Höhe, war von hier aus ein unbedeutender Stachel, der sich nur wenig aus der Mitte der Anlage erhob.
    Das technische Problem hatte nicht in erster Linie darin bestanden, einen genügend starken Strahler zu konstruieren, der die 4,2 Lichtjahre bis zur Proxima Centauri überbrücken konnte; so etwas lag im Bereich des Möglichen, seit die elektrostatische „Aufzucht“ von Riesenkristallen gelungen war. Die zunächst scheinbar unüberwindliche Schwierigkeit hatte darin bestanden, den Strahler mit genügender Genauigkeit zu richten.
    Was ist schon eine Bogensekunde? Der 3600. Teil eines Grades, wie das Grad der 360. Teil des Kreises ist – das lernt jeder in der Schule. Aber wer nicht täglich mit astronomischen Begriffen zu tun hat, macht sich selten eine Vorstellung davon, wie riesig und andererseits wie winzig die Maße im All sein können. Man stelle sich eine hundert Meter lange Stange vor. Hebt man diese Stange an einem Ende um einen halben Millimeter an – dann hat sie ihre Richtung um eine Bogensekunde verändert. Aber dieser halbe Millimeter wächst, je mehr man in Gedanken die Stange verlängert, und bei einer Länge von 4,2 Lichtjahren sind aus dem halben Millimeter fast 200 Millionen Kilometer geworden, also mehr als der Abstand der Erde von der Sonne.
    Bleiben wir jedoch bei der

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