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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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war, ging über seinen Starrsinn hinweg, zumal ihn jetzt niemand mehr unterstützte. So blieb ihm nichts übrig, als am Schluß den Maßnahmen zuzustimmen, die der Rat beschloß – wenn er nicht in dieser kritischen Situation den Expeditionsteilnehmern das unerfreuliche und vielleicht sogar demoralisierende Schauspiel eines Mehrheitsbeschlusses gegen den Kommandanten bieten wollte. Ganz überzeugt war er freilich nicht, daß alles das nötig war, was da beschlossen wurde:
    1. die Expeditionsteilnehmer von den Vorfällen – ohne Namensnennung – zu unterrichten;
    2. den Expeditionsteilnehmern eine Statutenänderung zum Beschluß vorzuschlagen, die den Kommandanten berechtigte, im Bedarfsfall die Arbeitszeit bis auf das Doppelte zu verlängern;
    3. die Expeditionsteilnehmer zu verpflichten, jedes Anzeichen von Unlustgefühlen oder Konzentrationsstörungen bei sich oder bei anderen sofort dem medizinischen Dienst mitzuteilen;
    4. eine Generalkontrolle unter Doppelbesetzung der Kontrollposten durchzuführen.
    Henner schwieg denn auch in der Vollversammlung der Expedition und überließ mit nicht allzu freundlichem Gesicht seiner Frau und Lutz das Reden – bis auf den letzten Punkt, der ja seinen ursprünglichen Vorschlägen und seinen Vorstellungen entsprach. Aber auch er konnte sich nicht der Einmütigkeit entziehen, mit der die Versammlung diese Maßnahmen billigte.
    Die Versammlungsteilnehmer beschränkten sich jedoch nicht auf das Billigen und Bestätigen. Da sie – wie üblich – am Vortage über den Bildfunk gründlich vom Gegenstand der Beratung informiert worden waren, brachten viele eigene Gedanken mit, von denen eine ganze Reihe verwirklicht wurde. So rückten zum Beispiel nach einem Vorschlag des Piloten Sandor Nagy, auf den die Strafpredigt Henners doch gewirkt zu haben schien, die drei Raumschiffe enger zusammen, bis auf einige zehn Kilometer, und die Orientierungssysteme wurden so geschaltet, daß sie sich gegenseitig überwachten und notfalls korrigieren konnten. Auch wurden stündliche Kontrollgespräche der diensthabenden Piloten der drei Raumschiffe, eine Verstärkung des medizinischen Dienstes durch freiwillige Helfer und viele andere Maßnahmen angeregt.
    Die Versammlung verlief also durchaus nicht in einer gedrückten Atmosphäre, und wenn alles nur von Stimmung und Willen abgehangen hätte, dann hätte nun mit der Schluderei – wie Henner die Vorfälle bei sich immer noch bezeichnete – Schluß sein müssen. Und tatsächlich schien es eine Zeitlang, als ob es so wäre. Die Versammlung oder die doppelte Arbeitsbelastung oder die strenge Kontrolle des Kommandanten oder was auch immer schien die Krankheit aufgehalten zu haben; jedenfalls wurden keine neuen Anzeichen dafür festgestellt, und auch die in der erwähnten Liste Genannten verhielten sich normal – mit einer Ausnahme.
    Kathleen Potter, die bei ihrem Unfall eigentlich nur geringfügige Verletzungen erlitten hatte – einen ausgerenkten Fuß, eine leichte Gehirnerschütterung und einige Prellungen –, wollte nicht genesen. Anfangs hatten Sabine und ihre Mitarbeiter sich gefreut, daß Kat fest und tief schlief, aber bald begann dieser Schlaf ihnen Sorgen zu bereiten. Die Patientin schlief nun schon tagelang, und es war kaum möglich, sie zur Nahrungsaufnahme wach zu bekommen. Die Verletzungen, die sie bei dem Manöver des Raumschiffs davongetragen. hatte, waren schon verheilt, und immer noch zögerten die Ärzte, bis sie endlich sicher waren, daß dieser anomale Zustand nicht von der Gehirnerschütterung herrührte – da entschlossen sie sich, ihr probeweise die Anregungstablette zu geben, die jeder Astronaut für den Notfall bei sich trug und die starke, aufputschende Alkaloide enthielt. Kat wurde munter, wunderte sich zunächst und war dann lustig und guter Dinge, und nur mit Mühe konnte Sabine Hellrath sie bewegen, im Krankenbett zu bleiben. An das, was mit ihr geschehen war, hatte sie keine Erinnerung. Sie wußte nur, daß sie an ihrer Qualifikation hatte arbeiten wollen, aber plötzlich gespürt hatte, daß sie sehr unkonzentriert war – wie übrigens, so mußte sie auf Befragen zugeben, in der letzten Zeit öfter – und daß sie sich darauf in den Sessel gesetzt und die Augen geschlossen hatte, um etwas auszuruhen.
    Lutz besuchte sie, Yvonne, auch Ljuba und Miguel kamen, und dann wurde sie wieder schläfrig, die Wirkung des Anregungsmittels ließ nach, und sie sank zurück in ihren alten Zustand.
    Auf Wunsch Sabines hatte ihr

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