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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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bemühte sich, es beiseite zu schieben.
    „Man muß an die Aufgabe denken“, sagte sie, mehr für sich selbst als für I-ren.
    „Ich habe daran gedacht“, sagte I-ren, „nur daran – oder fast nur. Ich konnte nicht mehr arbeiten – so. Zwischen euch. Und er auch nicht. Ich will weder ihn noch mich überschätzen, aber an uns hat es gelegen, daß die Sache nicht voranging.“
    „Du überschätzt die Bedeutung der Gefühle“, sagte Nadja hart. „Die Aufgabe verlangt, daß ihr weiter zusammenarbeitet. Ich brauche dir nicht zu sagen, was davon abhängt. Jetzt, nach deinem Weggehen, ist er vollständig davon überzeugt, daß er es nicht schafft.“ Sie entschloß sich, noch härter zuzupacken, so schwer es ihr auch fiel. Sie fuhr fort: „Deine Bedeutung für ihn besteht darin, daß du die beste Assistentin bist, die er je gehabt hat und je haben wird. Für ihn war Arbeit schon immer wichtiger als alles andere. Auch als die Liebe.“
    I-ren hatte leise geweint, ohne Heftigkeit. Jetzt hob sie den Kopf und schlug die Augen auf. „Wenn ihr wieder zusammen seid, wird jeder andere Assistent für ihn ebensogut sein.“
    Ich könnte jetzt tauschen, dachte Nadja. Ein Glück, vielleicht ein Glück, gegen ein zukünftiges Unglück, das ich bestimmt nicht mehr erlebe. In hundert Jahren, genauer in siebenundachtzig Jahren. Das ist ein gutes Wort: genauer. Wäge ich schon ab? Wenn ich wäge, dann will ich genau wägen: die Linie, die Haltung eines ganzen Lebens gegen den Wunsch eines Augenblicks, dessen Folgen nicht absehbar sind, selbst wenn er in Erfüllung geht.
    „Was du sagst, ist doppelt falsch“, antwortete sie. „Das eine weißt du selbst: Du bist jetzt und auf Jahre hinaus nicht zu ersetzen. Widersprich nicht, du weißt es. Das andere ist: Du willst einen Weg frei machen, den ich nicht gehen kann.“
    „Du bist sehr stolz“, sagte I-ren mit leisem Vorwurf.
    Nadja überging es. „Du mußt zurückkommen“, sagte sie.
    I-ren schüttelte den Kopf.
    „Du mußt!“ wiederholte Nadja.
    „Ich kann nicht“, sagte I-ren. „Das ist doch ganz einfach, begreifst du es nicht? Ich liebe Duncan, ich ertrage es nicht.“
    Nadja nahm ihre ganze Kraft zusammen. Sie mußte I-rens Entschlossenheit erschüttern.
    „Du liebst dich“, sagte sie. „Du würdest leiden, nicht er. Nicht so sehr er.“
    Sie sah, daß sie I-ren getroffen hatte.
    „Aber gut, wenn du leiden mußt“, fuhr sie fort, „sollst du es nicht allein tun.“ Sie stand auf, wandte sich um und sprach, den Blick aus dem Fenster gerichtet: „Ich werde mich Duncan nicht nähern, bis diese Aufgabe erfüllt ist.“ Sie drehte sich schnell um.
    I-ren hatte abwehrend die Hand erhoben, aber Nadja sprach weiter: „Ich weiß, mancher würde jetzt sagen: Was ist solches Versprechen schon wert, selbst beim festesten Willen ist die Entwicklung am Ende doch klüger und stärker. Das kann natürlich geschehen. Deshalb will ich noch etwas hinzufügen. Ich werde mich an mein Wort gebunden fühlen, bis du selbst“ – sie blickte I-ren voll an –, „du selbst mir sagst, daß ich nicht mehr daran gebunden bin.“
    „Sag jetzt nichts mehr“, flüsterte I-ren. Und nach einer Weile noch leiser: „Ich komme mit.“
     
    Die Ratstagung sah sich vor der Aufgabe, alle bisherigen Pläne beiseite zu legen und das ganze Problem noch einmal von vorn zu durchdenken. Da nicht mit Sicherheit auf die Hyperfusion zu rechnen war, mußte eine völlig neue Lösung gefunden werden. Mit herkömmlichen thermonuklearen Mitteln ließen sich die Planetoiden nicht sprengen. Tagelang durchforschten Arbeitsgruppen noch einmal alle vorhandenen Angaben über das Feld und die Planetoiden nach Möglichkeiten, sie zu zerstören. Sie fanden nur einen Ansatzpunkt: die relativ schnelle Rotation der Planeten.
    „Wenn es gelänge“, erläuterte Jiři Kotr, ein bekannter Geologe, dem Rat, „wenn es gelänge, die Rotation durch horizontale Schubkräfte zu verdoppeln, würde ein bedeutender Teil der Masse in den Raum geschleudert werden, vor allem vom Äquator bis zum 40. oder 45. Breitengrad nördlich und südlich. Es ist zu erwarten, daß dann die auftretenden tektonischen Kräfte den jeweiligen Planeten in mehrere Stücke zerreißen. Genaueres läßt sich aber erst an Hand von Tiefenbohrungen feststellen.“
    Überschlagsrechnungen – komplizierte, nur dank der modernen Rechenautomatik durchführbar, aber eben doch Überschlagrechnungen – ergaben, daß die Aufgabe lösbar sein konnte. Doch sofort

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