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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Transporte dorthin so umfangreich, daß den Ratsmitgliedern fast schwindlig geworden war von den Zahlen, die am Ende der Rechnung gestanden hatten. Aber Nadja Shelesnowa hatte sich nicht damit zufriedengegeben, sie hatte zehnfache Sicherheit gefordert, die Erhöhung der Planziffern auf das Zehnfache.
    „Wir haben knapp acht Jahre Zeit, um die Flotte auszurüsten“, hatte sie gesagt. „Wir können alles noch so gründlich vorbereiten, wir können versuchen alles vorherzusehen – aber unsere Kenntnisse über das Feld reichen nicht aus zu garantieren, daß nicht doch an Ort und Stelle unbekannte Schwierigkeiten auftreten. Wir brauchen einfach Reserven für den Fall, daß etwas von dem, was wir planen, nicht realisierbar ist. Schon bei gewöhnlichen statischen Berechnungen arbeiten wir mit mehrfacher Sicherheit, die Forderung dürfte also unabweisbar sein.“
    Der Rat hatte schließlich zugestimmt. So wurde das Programm der Arbeit bis 90, bis zum geplanten Start der Raumflotte, aufgestellt und Anfang 83 bestätigt.
    Drei Jahre gingen dahin, angefüllt mit Leben, Arbeit, Erfolgen und Enttäuschungen, mit wichtigen wissenschaftlichen Entdeckungen auf allen Gebieten und mit den nicht minder wichtigen Entdeckungen, die Yvonne und Lutz an der kleinen Kathleen und andere Eltern an ihren Kindern machten. Die Menschheit bereitete sich planvoll und zielbewußt darauf vor, das kosmische Problem, das sich da vor ihr aufgetan hatte, zu lösen, und diese Tätigkeit brachte ihr die Zuversicht, daß es ihr gelingen würde.
    Da trat etwas ein, was zur Änderung der Pläne zwang.
     
    Duncan Holiday hatte um eine grundsätzliche Besprechung im Kosmischen Rat nachgesucht und war mit einem umfangreichen Stab von Mitarbeitern auf den Kilimandscharo gekommen. Fast eine Woche lang konferierte dieser Stab gemeinsam mit Yvonne und einigen Experten des Rates in Permanenz. Schon am Abend des ersten Tages sprach sich herum, daß ernsthafte Meinungsverschiedenheiten ausgebrochen seien, und am dritten Abend erzählte man beunruhigt, daß Professor Me I-ren die Koffer gepackt habe und abgereist sei. Nadja Shelesnowa erfuhr selbstverständlich davon, aber sie wußte, daß gerade in kritischen Situationen nichts schädlicher ist als ungeduldiges Nachfragen. Freilich wurde ihre Geduld auf eine harte Probe gestellt. Erst nach Ablauf der Woche ließ sich Duncan bei ihr melden.
    Er sah ungesund aus. Seine Fältchen waren Falten geworden, die Haare weiß, er hielt sich immer etwas vornüber geneigt – nur die Augen funkelten noch ironisch, wenn er argumentierte.
    Er begann das Gespräch stockend und etwas offiziell, aber Nadja unterbrach ihn sofort: „Sag mal, was ist los mit euch – ich höre, I-ren ist abgereist?“
    „Ja, sie hat den Wunsch geäußert, an einer Sache zu arbeiten, die sie bei Lebzeiten zu einem gewissen Abschluß bringen kann. Ich habe sie nicht gehalten.“ Und unvermittelt fiel er in einen Ton der Begeisterung: „Aber ich habe da einen neuen Assistenten, ganz jung, den Kopf voller Ideen…“
    Sie lächelte spöttisch: „Willst du ausweichen?“
    „Du merkst aber auch alles“, sagte er ergeben und ließ sich seufzend in einem der Sessel nieder. Nach kurzem Nachdenken bat er: „Laß mich erst berichten, was mit unserer Arbeit ist, das andere ergibt sich dann daraus.“
    Sie nickte zustimmend.
    Er fuhr fort: „Wir haben einen Bericht an den Rat abgefaßt. Er beginnt mit den Worten: Mit der Nutzbarmachung der hyperthermonuklearen Energie ist in den nächsten fünfzig Jahren nicht zu rechnen. Das ist die Lage.“
    Die Nachricht war so schwerwiegend, daß Nadja einige Minuten brauchte, um sich über die Folgen ganz klarzuwerden. Ohne diese Energie war das ganze Projekt hinfällig. Die für die Sprengung des Feldes benötigte Energie etwa in Form von gewöhnlichem Kernbrennstoff dorthin zu transportieren war ausgeschlossen. Das überstieg die materiellen Möglichkeiten der Erde bei weitem, das wußte sie ohne ausführliche Berechnungen, und das wußte auch Duncan. Mit einem Anflug von Galgenhumor sagte sie: „Weißt du, was Dialektik ist? Bisher haben wir gesagt: Wenn wir das Energieproblem lösen, lösen wir auch alles andere. Von jetzt ab werden wir sagen: Wenn wir alles andere lösen können, lösen wir auch das Energieproblem.“ Sie wurde wieder ernst. „Aber sicherlich nicht heute mittag und sicher nicht wir beide. Also – was ist mit I-ren?“
    In diesem Augenblick verspürte Duncan wieder die gleiche Bewunderung für

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