Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1
umgedreht wurde.
»Das werde ich nicht tun!«, brüllte Mathilda die Haustür an. »Du kannst doch jetzt nicht klein beigeben und einfach ein anderer werden, bloß weil diese ganzen Idioten …«
»Schsch!«, machte Oskar und drückte Mathilda seinen Finger auf den Mund. »Das müssen ja nicht alle hören. Vor allem nicht deine Eltern. Die sperren dich noch ein.«
Mathilda packte Oskar am Arm und riss seine Hand herunter. »Das sollen sie mal wagen!«, schimpfte sie und zerrte ihren Freund in Richtung Gartenpforte.
Oskar leistete keinen Widerstand. So aufgebracht wie Mathilda war, hatte es wohl keinen Sinn, mit ihr herumzudiskutieren. Zudem hatte sie in der vergangenen Nacht schon alles allein machen müssen, da war es ja wohl klar, dass er jetzt zu ihr stand. Und zwar ohne Wenn und Aber.
Die Villa von Frau Seselfink war in einem edlen Grau gehalten. Sie hatte drei Stockwerke mit unzähligen Türmchen und Erkern. Eigentlich gefiel sie Oskar ausgesprochen gut, nur leider war das ganze Drumherum so gestaltet, dass man esaus lauter Angst, die Gehplatten zu verschmutzen oder einen Grashalm zu verbiegen, kaum betreten mochte.
Es wunderte ihn jedenfalls nicht mehr, dass Frau Seselfink wegen einer einzigen Bananenschale einen solchen Aufstand machte.
Die Klingel war gleich neben dem Eisentor angebracht, das sich automatisch öffnete, sobald dem Besuch Einlass gewährt wurde. Bei Oskar und Mathilda war das leider nicht der Fall. Gleich nachdem sie ihre Namen genannt hatten, zeterte ihnen Frau Seselfinks Stimme aus den Ritzen des Lautsprechers entgegen: »Kinder haben auf meinem Grund und Boden nichts verloren!« Danach klackte es in der Anlage und das war’s. Mathilda klingelte sich zwar noch eine Weile die Finger wund, doch Frau Seselfink kümmerte sich nicht darum.
»Jetzt hör schon auf«, sagte Oskar. »Bestimmt hat sie die Glocke abgestellt.«
Er ärgerte sich. Denn vor lauter Aufregung hatte er vergessen, Pflastersteindreierschritte zu machen, sonst hätte er nämlich vorher schon gewusst, ob diese Aktion etwas taugte oder nicht.
»Blöde Kuh!«, zischte Mathilda. Sie hob ihren Fuß und holte aus, um gegen das Eisentor zu treten, besann sich aber wieder. »Dann gucken wir uns das Spektakel eben über die Mauer an«, beschloss sie und schleifte Oskar in Opa Heinrichens Garten zurück.
»Was habt ihr denn vor?«, fragte Henriette Habermick, die gerade dabei war, den Tisch zu decken.
»Nix Besonderes«, keuchte Mathilda.
»Wir rennen bloß ein bisschen hier herum«, schnaufte Oskar.
»Dann rennt mal nicht so weit weg«, rief seine Mutter ihm nach. »Es gibt bald Abendbrot.«
Weil Oskar einen halben Kopf kleiner war als sie, ließ Mathilda ihn diesmal als Erstes auf den Komposter steigen, damit er einen besseren Blick auf Frau Seselfinks Grundstück hatte. Sie stellte sich direkt hinter ihn und linste über seine Schulter weg über die Mauer.
Das Bild, das sich ihnen bot, war noch irrwitziger als jenes vom Tag zuvor. Mitten auf Frau Seselfinks schönem Rasen hatte sich eine Menschentraube versammelt. Die beiden Polizisten, sämtliche Nachbarn, darunter auch Barbara von Dommel, und natürlich die Hausherrin selbst starrten auf eine matschigbraune Bananenschale, die am Rand eines Blumenbeets lag. Jemand hatte sie mit vier Stöcken abgesteckt und ein dünnes rot-weiß gestreiftes Band darum gespannt. Ein paar Schritte weiter zur Mauer hin stand noch immer die umgestülpte Vase mit der Pusteblume darunter.
»Ich schwöre, die Schale lag da heute Morgen noch nicht«, raunte Mathilda Oskar ins Ohr.
»Dann hat der Täter sie eben erst dorthin geworfen, nachdem du rübergeschaut hast«, entgegnete er.
»Ja klar«, zischte Mathilda. »Und dann hat Frau Seselfink sie auch sofort entdeckt und meine Mutter angerufen.«
»Wieso nicht?«, wisperte Oskar. »Kann doch sein.«
»Ja vielleicht«, brummte Mathilda. »Jetzt lass uns erst mal hören, was die da unten quatschen.«
Im Augenblick quatschte allerdings niemand. Alle standen nur stumm da und glotzten auf die Bananenschale. Schließlich räusperte sich der Polizist mit den blond gewellten Haaren und sagte: »Natürlich werden wir versuchen, Fingerabdrücke zu nehmen.«
»Ach, das ist doch sinnlos«, winkte Herr zu Blaublut, der Nachbar von gegenüber, ab. »Herr Heinrichen mag ein wenig sonderbar sein, dumm ist er aber nicht. Bestimmt hat er Handschuhe getragen.«
»Trotzdem sollten wir nichts unversucht lassen«, erwiderte der andere Beamte. »Die
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