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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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liebster?», frage ich.
    «Was soll das denn?»
    «Eine einfache Frage für einen
Goth
, dachte ich.»
    «Wie kommst du darauf?»
    «In Frankfurt ist es für mich der Hauptfriedhof», sage ich. «Es ist zwar der einzige, den ich kenne, aber ich finde ihn super.»
    Ich meine das vollkommen ernst. Die parkähnlichen klassizistischen Anlagen sind eigentlich viel zu schön für den Tod.
    «Hat sich Papa bei dir beschwert, oder was ist los?»
    Sie traut mir wirklich gar nicht.
    «Cord ist doch total weltfremd, der schnallt gar nichts davon. Stimmt’s?»
    Sie schaut mich erstaunt an.
    «Übrigens gehen nicht alle Goths auf Friedhöfe», klärt sie mich auf.
    «Aber die meisten
Dark Waver
wie du.»
    Jetzt ist sie wirklich baff: «Wie kommst du darauf, dass ich … Hey, mein alter Cousin Sönke kennt sich aus mit schwarzer Romantik? Ich fass es nicht.»
    Es ist das erste Mal, dass sie meinen Namen ausspricht, seit Maria und ich sie am Flughafen abgeholt haben. Wenn auch zusammen mit dem Adjektiv «alt».
    Tatsächlich habe ich mich gestern Abend, als Maria mit ihrem BKA -Kollegen verschwunden war, im Internet schlau gemacht. Es hat mich einfach interessiert. Bei den «Gothics» gibt es laut Internet so viele verschiedene Richtungen, dass ich nur gestaunt habe. Düsteres Auftreten und dunkle Kleidung scheint die einzige Klammer für alle zu sein. Laut Internet hat die Bewegung ihren Zenit längst überschritten, aber es gibt einen harten Kern, zu dem Jade offensichtlich gehört.
    Warum nicht mit dem Tod, Trauer und Vergänglichkeit sich auseinandersetzen? Das ist ehrlich und kann zugleich romantisch sein. Als ich als Teeny jahrelang unglücklich in Maria verliebt war, war ich auch extrem empfänglich für derartige Themen.
    «Dafür, dass wir im Fernsehen nie vorkommen, kennst du uns aber gut.»
    Auf die Idee, dass ihr alter Cousin einfach nur gegoogelt hat, kommt sie gar nicht.
    «Kennst du auch NDT ?», erkundigt sie sich.
    «Äh, das sagt mir jetzt nichts auf Anhieb.»
    « N eue D eutsche T odeskunst.»
    Wie bitte? Irgendwie war meine Recherche wohl nicht ganz vollständig. Hoffentlich ist das nichts, worauf Gefängnis steht.
    «Ach so.»
    Das erste Mal ahne ich bei Jade so etwas wie den Anflug guter Laune.
    «Weswegen bist du wirklich hier?», frage ich. «Doch nicht wegen der Wurzeln deines Vaters?»
    Ihr Blick geht unverändert geradeaus.
    «Das willst du nicht hören.»
    «Spuck’s aus.»
    Sie dreht ihren Kopf zur Seite und guckt mir giftig in die Augen.
    «Papa hat mir ein iPhone mit Vertrag versprochen, wenn ich vierzehn Tage durchhalte.»
    Als ob Föhr eine Gefängnisinsel wäre. Auf so eine Idee kann auch nur Cord kommen. Was verspricht der sich von einer erzwungenen Familienzusammenführung? Wo er doch selbst Jahrzehnte nicht auf Föhr war, weil ihn alles hier an seinen verhassten Vater erinnerte.
    «Die Riewerts sind eine kaputte Familie.»
    «Sagt wer?»
    «Mein Vater.»
    Am liebsten würde ich Jade mit der nächsten Fähre nach Hause schicken. Cord hätte ruhig sagen können, was er uns da zumutet. Warum muss ich mit einem Mädchen zusammenwohnen, die bei uns nur ihr teures Handy absitzen, ansonsten aber nichts mit uns zu tun haben will? Und wenn sie dreimal meine Cousine ist, ich bin kein Punching-Sack für verhaltensgestörte Teenager! Aber ich muss mich wohl zusammenreißen, Oma zuliebe. Jade kann immerhin als einzige ihre Unschuld bezeugen.
    «Zählst du Oma auch dazu, zu der kaputten Familie?»
    «Nein. Oma ist klasse.»
    Na, wenigstens das.
    «Weiß sie von dem iPhone?»
    Das trifft sie. Vor Oma will Jade nicht als geldgeiles Luder dastehen. Wahrscheinlich fragt sie sich jetzt, ob ich das Oma weitererzähle. Sollte diese unausgesprochene Drohung unser Verhältnis harmonischer gestalten, hätte ich nichts dagegen.
    «Wie war euer Malkurs?», frage ich, um zum Wesentlichen zu kommen.
    «Ganz o.k.»
    «Was hast du gemalt?»
    «Wieso?»
    «Interessiert mich einfach.»
    «Ist doch egal».
    Zäh ist das Luder!
    «So geheim?»
    Sie schaut mich gelangweilt an.
    «Ein Grab mit einem Menschen, halb Engel, halb tot.»
    «Und Oma?»
    «Einen Strandkorb, der halb unter Wasser steht. Das war ein Traum, den sie in der Nacht davor gehabt hat.»
    Ich kann leider nicht lockerlassen.
    «Und was für ein Bild hatte Oma bei sich, als ihr aus dem Fenster geklettert seid? War es das mit dem Strandkorb?»
    Jade tritt fester in die Pedale und versucht, ein wenig vorweg zu fahren, aber ich bleibe neben ihr.
    «Ich verstehe
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