Ein Strandkorb für Oma
Polizeischule so. Normalerweise arbeitet Tobias auch gar nicht im Außendienst, aber die haben in Wiesbaden gerade eine Grippewelle, da ist er eingesprungen.»
«Na, so ein Zufall.»
«Wie meinst du das?»
«Ach, nichts.»
Über den seltsamen, intimen Blick von Maria zu Tobias verliere ich kein Wort. Sie soll ja nicht denken, dass ich eifersüchtig bin.
«Wir gleichen jetzt die Protokolle vom Malkurs gegeneinander ab», sagt Maria. «Wer wann wo war. Das ist ein ziemliches Chaos, viele Zeugen erinnern sich nur ungenau. Eine Touristin behauptet sogar, Oma und Jade noch gegen Mittag im Museum gesehen zu haben.»
«So?» Das klingt gar nicht gut.
«Ich habe die beiden nochmal angerufen, sie haben gesagt, dass sie da längst weg waren. Und Fietje hat das bestätigt.»
Fietje mit dem Rollator hat also geplaudert und Oma mit einer Lüge entlastet. Guter Mann! Als Oma und Jade nach ihrer Flucht durchs Dorf gegangen sind, waren sie quasi unsichtbar: im Dorf halten alle die Klappe. Bis jetzt jedenfalls.
Außer dieser einen Frau aus dem Malkurs scheint niemand Oma und Jade gesehen oder vermisst zu haben. Ich bin trotzdem nicht sicher, wie lange das noch gut geht. Vielleicht sollte ich Maria doch lieber von der DVD erzählen? Aber selbst wenn Oma unschuldig ist, würde sie das nicht vor intensiven Verhören durch Tobias schützen, erst recht, wenn der im Augenblick keine heiße Spur hat. Oma würde das in ihrem jetzigen Zustand nur mühsam durchstehen.
Nein, es bleibt dabei: keine DVD , keine Verdächtigung! Erst wenn Tobias von der Insel verschwunden ist, werde ich den Film Maria zeigen.
Wir knutschen weiter in den Dünen. Ich will an gar nichts anderes denken.
Irgendwann ist es stockdunkel, nur im Norden ist noch der Abglanz des Mittsommerlichtes zu sehen. Wir gehen zurück zu den anderen, und ich tanze mit Maria; das haben wir viel zu lange nicht mehr getan. Wir können gar nicht mehr aufhören. Um uns herum tanzen Arne, Oma, Regina, John und Holger. Wer hat schon eine solche Familie? Ich bin stolz auf sie alle.
Am nächsten Tag brennt Omas Wohnung.
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10. Die schöne Tomatensoße
Das frühe Sonnenlicht wirft trapezförmige Muster mit bizarren, spitzen Winkeln auf den hellen Holzfußboden im Wohnzimmer. Maria und ich wachen ineinander verknäult auf einer Betthälfte auf, wir haben die ganze Nacht Körper an Körper beieinandergelegen, ohne dass es uns zu eng wurde. Das wollen wir nicht ändern, nur weil es hell ist.
Nach der Sonnenuntergangs-Party war es unmöglich einzuschlafen. Wir mussten leise sein, denn Jade schlief ja nebenan im Schlafzimmer. Maria hat heute Vormittag frei und will das mit mir voll auskosten. Am liebsten würden wir bis Mittag im Bett bleiben, aber wir haben ja Besuch und wollen mit Jade im Garten frühstücken. Als ich ins Bad schlurfe, kommt sie mir im Flur entgegen und hält sich brav die Hand vor den Mund, als sie herzhaft gähnt. Sie zählt wohl zu den wenigen Menschen auf dieser Welt, die morgens frischer aussehen als während des restlichen Tages. Ohne ihr Make-up und mit nassen Haaren wirkt sie überraschend klein und verletzlich, auf jeden Fall deutlich jünger als fünfzehn. Das sage ich ihr natürlich nicht.
Leider ist ein romantisches Frühstück, wie ich es mir vorstelle, nur in guten Hotels mit Zimmerservice möglich. Im wirklichen Leben muss ich mich aufs Fahrrad setzen, zum Bäcker in der Hauptstraße fahren, Brötchen holen, einen Smalltalk über das gute Wetter halten, zurückfahren, Orangen in die Presse legen, Kaffee und Eier kochen, selbst gemachte Marmelade in kleine Töpfchen füllen, Krabben aus dem Kühlschrank holen.
Maria deckt den Tisch im Garten neben der Grube, die mal ein Gartenteich werden soll. Die letzte Feuchtigkeit der Nacht hängt noch im Gras, und die ersten Insekten starten zu Erkundungsflügen im hüfthohen Gras. Die Kiefern geben einen kräftigen Duft dazu, der sich mit der salzigen Meeresluft verbindet. In der Sonne ist es schon erstaunlich warm, auf die laue Nacht scheint ein heißer Hochsommertag zu folgen.
Jade setzt sich zu uns an den gedeckten Tisch.
«Und, wie fandest du es gestern?», erkundige ich mich.
«Auf einem Friedhof hätte es mir besser gefallen», sagt sie trocken.
«Mir war es auch eine Spur zu fröhlich», frotzelt Maria, «keiner hat depressiv in der Ecke rumgehangen und gejammert.»
«Doch, ich!», protestiere ich. «Ich habe Kapitän Petersen vorgeheult, dass ich zu wenig Kunden für meine
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