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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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zivilisiert und alles andere als bedrohlich.
     
    Jade huscht plötzlich an allen vorbei aus der Scheune heraus, springt auf ihr altes Fahrrad und radelt mit quietschender Kette vom Grundstück.
    «Warte!», rufe ich. Doch sie fährt einfach weiter.
    «Wo will sie hin?», frage ich Maria, «Jade kennt nicht mal die Richtung zu uns.»
    Maria stemmt ihre Arme in die Hüften. «Vielleicht sollte ihr jemand helfen …?»
    Ich bleibe regungslos stehen, Maria zieht eine Augenbraue hoch, «… zum Beispiel jemand aus der Verwandtschaft?»
    «Jaja, bis später.»
    Wir küssen uns flüchtig auf die Wange.
    «Bis später.»
    «Sehen wir uns gleich bei Arnes Strandparty?»
    Maria beißt sich kurz auf die Unterlippe. «Ich hoffe es. Versprechen kann ich es nicht, du siehst ja, was hier so abgeht.»
    Die Lage wird immer unübersichtlicher. Ich kann nur hoffen, dass sich das, was hier auf Hansens Hof passiert ist, nicht auf Föhr herumspricht. Wenn Hauke behauptet, ich wäre eine Art Polizeispitzel, läuft meine Arche auf Grund, bevor sie in See gestochen ist. Ich springe aufs Rennrad und umfahre schwungvoll den schwarzen BMW , auf dem das Blaulicht immer noch blinkt.
     
    Nach wenigen Metern habe ich Jade eingeholt, die entschlossen in die schlecht geölte Pedale tritt. Sie will so schnell wie möglich weit weg vom Polizeieinsatz, genau wie ich. Wir radeln nebeneinander durch das alte Bauerndorf Oldsum mit seinen eng zusammenstehenden, wunderschönen Reetdachhäusern. Die Galerie «Art und Weise – Entspannungsmusik» lassen wir links liegen, wir steuern den Edeka-Markt «b.C. Rickmers» an der Hauptstraße an. Jade kauft sich ein Mineralwasser und kippt fast einen Liter in sich hinein, dann bringt sie die Pfandflasche brav zurück.
    «Das war krass eben», stöhnt sie, «oder?»
    «Vielleicht hat Hauke das Bild ja wirklich geklaut», sage ich. «Was wissen wir schon?»
    «Das glaubst du doch selbst nicht.»
    «Mensch, Jade, wenn Oma das Bild hat und du es weißt, musst du es mir sagen», versuche ich es nun direkt. «Ich will doch nur verhindern, dass ihr etwas passiert.»
    Jade beugt sich flach nach vorne gegen den Wind. «Die Kutschen kannst du vergessen, oder?»
    Sie will einfach nichts verraten, da kann man nichts machen.
    «Vielleicht kannst du ja bei Hauke ein gutes Wort für mich einlegen», bitte ich.
    «Können wir jetzt nach Hause fahren?»
    «Gerne, aber lass uns vorher beim Sonnenuntergangsfest von Arne vorbeischauen, ja?»
    «Untergang klingt sympathisch», murmelt Jade mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln.

[zur Inhaltsübersicht]
9. Familie Riewerts tanzt
    Es gibt auf Föhr ganz besondere Festtage, an denen das Wattenmeer zur Bühne für ein einzigartiges Schauspiel wird, hundert Kilometer lang und unendlich hoch. So wie am heutigen Sonntagabend.
    Der Himmel zitiert die Farben der Südsee und mischt sie mit nordischem Sommerlicht, ohne jede Scheu vor Kitsch: Die Abendwolken werden knallrosarot bis lila angemalt, in den Pfützen des Watts leuchten Bonbonfarben von gelb bis kakaobraun. Autofahrer halten an und steigen aus, um zu schauen, Einheimische und Touristen pilgern an die Wasserkante, die Leute schalten den Fernseher aus und treten vor ihre Häuser.
     
    Jade und ich stellen die Fahrräder hinterm Deich beim Utersumer Kurhaus ab und eilen die Treppen hoch. Der Anblick reißt einen förmlich nieder, und warm ist es dazu.
    Die Außenterrasse des Kurhauses ist voll besetzt. Die Gäste blicken gemeinsam in den Abendhimmel und tuscheln leise miteinander. Jade und ich ziehen unsere Schuhe aus; wir gehen hinunter zum Strand, von wo entspannte Musik zu uns herüberschallt. Der Sand ist noch warm, die feine Körnung massiert beim Gehen angenehm die Fußsohlen. Überall stehen Arnes Strandkörbe herum, sie sind mit Lichterketten verbunden, an denen chinesische Lampions und bunte Glühbirnen hängen. Es sind ganz verschiedene Leute gekommen, junge und ältere. Keiner der ungefähr fünfzig Gäste, die oder der nicht ergriffen zwischen der sandigen Südspitze Sylts und der Nordspitze Amrums aufs offene Meer unter dem bunten Himmel schaute.
    Auf zwei blauen Strandkörben stehen mittelgroße Musikboxen. Mein Onkel Arne hockt etwas entfernt davon in seinem grünen Vermieter-Strandkorb mit der schwarzen Rückennummer 001 und schickt dem Mischpult neben sich sanfte Bassbeats in den Sonnenuntergang.
    «Mann, Arne …», stammle ich, als ich mit Jade vor ihm stehe. Sein Anblick ist ein Schock für mich, er wirkt auf mich
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