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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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haben den Rauch bemerkt und uns geholt», erklärt Lükki.
    Ich drücke ihm fest die Hand: «Mensch, danke, Lükki, du hast eine Tragödie verhindert.»
    Er winkt ab: «Dafür sind wir da.»
    Oma schüttelt bekümmert den Kopf. «Ich kam gerade vom Einkaufen zurück, da waren die netten Herren von der Feuerwehr schon in der Wohnung.» Sie schaut sich in ihrer verwüsteten Küche um. «Die schöne Tomatensoße …»
    Sie ist vollkommen durcheinander.
    «Kann Oma weiter hier wohnen?», erkundige ich mich bei Lükki. Der braucht kein Messgerät, um das zu beurteilen. Er atmet einmal tief ein und weiß dann Bescheid: «Wenn ihr gut durchlüftet, soll das wohl gehen.»
    Jade setzt sich mit Oma ins Wohnzimmer unter ihr Lieblingsbild, das einen Elefanten zeigt. Das Bild hat farblich eine leichte Rauchnote erhalten und sieht fast interessanter aus als vorher. Was man über die reichlich nachgedunkelten Tapeten eher nicht behaupten kann.
    Jade legt den Arm um ihre Großmutter; die lässt ihren Kopf auf Jades Schulter sinken. Jades Haare sind immer noch nicht trocken; sie sieht erschrockener aus als Oma.
    «Es dauert Tage, bis ich die Gewürze wieder habe», stöhnt Oma erneut. «Die muss ich alle neu bestellen.»
    «Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist», wiederholt Jade.
    Maria schaut auf die Uhr. «Soll ich den Dienst absagen?», überlegt sie laut.
    «Wir kriegen das schon hin», beruhige ich sie.
    Lükki wendet sich an Maria: «Wie weit seid ihr mit dem Bildklau in Alkersum?»
    Der ist natürlich Thema Nummer eins auf der Insel. Sogar die Tagesschau hat kurz darüber berichtet.
    «Geht voran.»
    «Na, hoffentlich», brummt Lükki, «an jeder Kreuzung ’ne Kontrolle, das nervt langsam.» Dann verabschiedet er sich.
    Kurz danach stürmt Regina herein; sie kommt direkt aus dem Optikerladen, wo sie arbeitet. Sie trägt wieder hautenge Jeans und ein eng anliegendes T-Shirt. Als Erstes umarmt Regina ihre Mutter.
    «Ich habe es eben erst erfahren.»
    Oma will nicht umarmt werden und schiebt sie weg. «Alles im Lot, mein Kind, nur die Tomatensoße ist hin, mitsamt allen Gewürzen.»
    Regina schaut sich pikiert um. «Wie das hier aussieht …»
    «Was meinst du?», protestiere ich.
    «Siehst du das nicht, oder willst du es nicht sehen?!»
    Ich schaue mich um. Gut, es liegen Zeitschriften und Bücher auf dem Fußboden, aber ein bisschen Unordnung ist doch keine Katastrophe!
    Regina macht trotzdem einen Riesenaufstand: «Das geht so nicht weiter! Da muss sich sofort etwas ändern!»
    Für eine perfekte Hausfrau wie sie, die jede Woche sämtliche Fenster putzt, war diese Wohnung schon vor dem Brand unbewohnbar.
    «Hier lebe ich!», protestiert Oma laut.
    «So geht das nicht!», widerspricht Regina.
    «Und ob das so geht!», verwahrt sich Oma gegen Reginas Angriffe. «Was fällt dir eigentlich ein, so mit deiner Mutter zu reden?»
    Plötzlich zittert sie leicht.
    «Willst du dich hinlegen Oma?», frage ich besorgt.
    «Auf gar keinen Fall. Aber eine Decke wäre gut. Sönke, im Schlafzimmerschrank …»
    Ich husche über den unaufgeräumten Flur ins Schlafzimmer und suche im übervollen Kleiderschrank nach der Decke. Noch mehr als nach Rauch riecht hier alles penetrant nach der plüschigen Himbeerseife, die Oma zwischen den Sachen gelagert hat. Unter der dicken Wolldecke am Boden erfühle ich plötzlich einen kantigen Gegenstand.
    Könnte das ein Bild sein?
Das
Bild?
    Ich ziehe vorsichtig – und tatsächlich, es ist ein Goldrahmen! Ich beginne fieberhaft zu überlegen: Wenn es das «Friesische Mädchen» ist, könnte ich es anonym dem Museum zurückgeben, und alles wäre in Butter. Oder noch besser: Ich spiele es Maria zu, damit die den Fall heldenhaft lösen kann und auf Föhr bleibt.
    «Was wird das, Sönke?»
    Wie aus dem Nichts ist Oma hinter mir aufgetaucht.
    «Hier ist die Decke …», stammle ich. «Sie riecht ein bisschen nach Rauch, ein bisschen nach Himbeere.»
    Oma deutet auf das Bild. «Leg das weg!»
    Ich drehe das Bild ruckartig um, bevor Oma es mir aus der Hand reißen kann. Und schaue auf eine sommerliche Ansicht in freundlichen Blautönen. Darauf ist ein weißer Strandkorb zu sehen, der mitten im Wasser steht, im Hintergrund sind der Deich voller Schafe und der Leuchtturm Olhörn vom Wyker Südstrand zu erkennen. Auf dem Strandkorb sitzt eine Möwe, daneben steht ein Tischchen mit einer Thermoskanne und einem Teepott, über allem schweben weiße Schäfchenwolken. Offensichtlich ist es das Bild, von dem Jade
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