Ein Strandkorb für Oma
fast bis Amerika, gucken.» Sie denkt kurz nach. «Vielleicht könnte man Reetdächer auf die Hochhäuser setzen, um die Akzeptanz zu erhöhen.»
Ich schaue Oma fröhlich an: «Bestimmt.»
«Du findest das irre, oder?»
Ich hebe abwehrend die Arme. «Nein, nein.»
«Du machst mir nichts vor, Sönke, mein Lieber: du findest das irre.»
«Es ist irre!»
Mit Oma kann ich so reden.
Sie verzieht gespielt beleidigt das Gesicht: «Aber vom rein ökologischen Standpunkt aus habe ich recht.»
«Sicher.»
Christa, ihre beste Freundin, ist nun ganz offiziell ihre Pflegerin. Oma wird nicht alleine sein, es kann ihr nichts passieren, ihr Hausarzt und Freund Dr. Behnke wird regelmäßig zu Hausbesuchen kommen, abgesehen davon, dass Arne, Regina und ich sie so oft wie möglich besuchen werden.
«Meinst du, wir können einfach so da sitzen wie früher?», fragt Oma, «und nebeneinander lesen?»
Ein heftiger Windstoß fegt in den Strandkorb.
«Aber ja», lächle ich.
Mit Oma habe ich in unzähligen Cafés gesessen und einfach eine Zeitschrift nach der anderen gelesen. Wenn jemand etwas Bemerkenswertes fand, hat er oder sie es vorgelesen, dann waren wir wieder still. Das kann ich außer mit Oma nur mit Maria.
Sie fischt einen alten «Spiegel» für mich aus der Fußbank. «Ich möchte nicht lesen, das ist mir zu anstrengend. Aber lies du bitte.»
«Soll ich dir vorlesen?»
«Nein, ich bin zu müde.»
Als ich die Zeitschrift in die Hand nehme, heulen wir beide sofort los. Ich nehme Oma in den Arm, wir halten uns aneinander fest. Erst als die Nordsee an unseren Füßen leckt, können wir aufhören.
Gegen die Flut kann niemand etwas machen.
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25. Land in Sicht
Ein Vierteljahr später schiebt sich die «Uthlande» langsam zur Elbmündung und nimmt Kurs zurück auf Föhr. Es ist absolut windstill, die W. D. R.-Autofähre erhebt sich über die Meeresoberfläche wie eine stolze Arche, die weißen Aufbauten leuchten in der Wintersonne, die im November besonders kostbar ist.
Unter uns im Salon laufen DVD -Aufnahmen der letzten Tage über die Leinwand. Die Insulaner sitzen davor und trinken «Föhrer Manhattans» auf die letzten Tage. Die Zeit an den Hamburger Landungsbrücken war für uns alle großes Kino.
Lükki war der Held aller Kinder, die sich in den Feuerwehrwagen setzen durften, die Inselklinik bot kostenlose Nackenmassagen an, Hauke residierte auf der schönsten seiner Kutschen, und Brar von den Seevögeln hatte eine Kabine mit Liegen eingerichtet, auf denen man Wellen und Möwen hören konnte. Arne hatte eine Bar mit Strandkörben aufgebaut, in der seine Schwester Regina und ihr Mann Holger servierten, Oma half spülen.
Nicht zuletzt bekochte Hotelchef Holger Ketels die Gäste aufs Allerfeinste. Die Ausstellung von Meeresbildern des Museums «Kunst der Westküste» war ein Riesenerfolg, inklusive des «Friesischen Mädchens» von 1940. Unsere Aktion wurde ausführlich in allen Hamburger und vielen überregionalen Zeitungen besprochen, das Fernsehen war da und hat ausführlich berichtet.
Mit anderen Worten: Föhr war Tagesthema in der Hansestadt.
Jade war mit ihrem Vater Cord aus Frankfurt angereist und tanzte in der Volkstanzgruppe mit. Wie die alten friesischen Tänze gehen, hat ihr Vater ihr in Frankfurt beigebracht, er kannte sie noch aus seiner Kindheit, Jade machte das hervorragend.
Das funktionierte letztlich nur, weil man sich zu Hause geeinigt hatte: Jade darf in Frankfurt bleiben, sie wird ihre Mutter in den Ferien in Thailand besuchen und lernt dafür fleißig Thai. Deutsch, Friesisch und Thai: Es gibt nicht viele Menschen, die diese drei Sprachen auf einmal beherrschen.
Viele alte Freunde von früher kamen vorbei, die Maria zum Teil noch gar nicht kannten. Nur meine Eltern konnten nicht, weil sie ausgerechnet in dieser Zeit im Urlaub waren.
Ein Highlight des Videofilms ist die Premiere der Show, die die Seevögel zusammen mit den Knurrhähnen aufgeführt haben. Zuerst begann ein konventionelles Konzert mit Shantys, denn folgte Soul, und dann wurden die Rollen getauscht: Die Knurrhähne versuchten sich am Soul, die Seevögel antworteten mit veralberten Shantys. Der Streit steigerte sich und endete damit, dass man sich Takt für Takt musikalisch «bekämpfte». Unser Konzert war beim Hamburger Publikum ein Riesenerfolg, wir mussten vier Zugaben geben, und ein zufällig anwesender Veranstalter wollte uns vom Fleck weg für die nächste «Kieler Woche» buchen.
Viel
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