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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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vom See herwehte, trug einen schwachen fischigen Geruch zu ihnen hoch, der vom Bootscamp herzukommen schien.
    »In Mississippi habe ich mich zu Tode gelangweilt. Sonst wäre ich geblieben.«
    »Aber lebte denn nicht Ihre Mutter noch dort?«
    »An sie hab ich nicht gedacht«, sagte er und starrte weg. »Sie ist eines Tages gestorben. Das war das einzige Mal, daß ich wieder dagewesen bin.«
    Robard seufzte, als nehme er einen philosophischen Standpunkt ein. »Also gut«, sagte er.
    »Ich bin da oben einfach durchgedreht, als ich klären wollte, ob das Chaos so groß wäre, daß ich besser zurückgehe und noch mal von vorne anfange.«
    »Aber jetzt gefällt Ihnen Chicago doch besser, oder?«
    »Es ist mir gleich«, sagte er.
    »Sie kommen den ganzen langen Weg bis hierher, und dann fahren Sie wieder zurück, ohne daß Sie das Geringste geklärt haben?«
    Er klopfte die Absätze seiner Schuhe aneinander und beobachtete, wie der Staub auf die Wiese sank. »Eins habe ich geklärt«, sagte er.
    »Und was soll das sein – vielleicht meine Psyche?« fragte Robard.
    »Es ist mir jetzt scheißegal«, sagte er und betonte jede Silbe. Er horchte auf den Wind, der in den Weiden aufkam. »Der alte Mann macht sich mehr Gedanken, als ich es tue. Das steht ihm ja die ganze Zeit ins Gesicht geschrieben.«
    »Und er steht schon mit beiden Beinen in der Grube«, sagte Robard und stützte das Kinn auf seine Knöchel. Ein Windstoß blies sein Haar am Scheitel hoch. »Was hatten Sie sich denn überhaupt dabei gedacht, hierherzukommen?« Seine Augen schienen sich zu weiten.
    »Es ist so wie der Süden in meiner Erinnerung«, sagte er. »Es schien ein guter Ort zu sein.«
    »Aber sind Sie da oben nicht genauso, wie Sie hier sind?«
    »Ja, aber ich war völlig am Ende.« Er wurde grimmig. »Ich dachte, wenn ich hierherkommen könnte und mitten im Geschehen wäre und nicht bloß in meinen Erinnerungen lebte, würde mir das vielleicht helfen.«
    Robard starrte ihn an, als hätte er die Grenze geistiger Gesundheit überschritten. »Was haben Sie denn erwartet?«
    »Alles! Verdammt! Ich dachte, der alte Mann würde mir was beibringen, aber der ist einfach bloß verrückt. Ich dachte, ich würde vielleicht rauskriegen, ob ich das alles irgendwie umsetzen könnte.«
    »Und was ist passiert?« fragte Robard.
    »Ich habe es satt«, sagte er betrübt. »Und ich haue wieder ab. Jeden Tag finde ich etwas Neues, das exakt gleichgeblieben ist. Wenn ich jetzt übern See fliegen könnte, würde ich das auf der Stelle tun.«
    Robard räusperte sich, als wollte er etwas sagen, schaute dann aber auf den See hinaus.
    »Ich dachte, Sie wären vielleicht in der gleichen Klemme«, sagte er.
    Robard wiegte langsam seinen Kopf. »Ich bin in gar keiner Klemme«, sagte er langsam, »obwohl ich, wenn ich versuchen würde, meine Vergangenheit zusammenzuflicken und daraus etwas Vernünftiges zu machen, verdammt sicher auch in der Klemme wäre. Ich würde mich entweder tödlich langweilen oder hätte höllischen Schiß.« Er schaute bedeutungsvoll auf, als nehme er an, daß er etwas gesagt hätte, das man auch noch ein zweites Mal wiederholen konnte. Er kniff seinen Mund zusammen. »Aber soweit ich es sehe, geschehen Dinge einfach nur. Ein Moment hat für den nächsten nicht die geringste Bedeutung.«
    »Das gefällt mir gar nicht«, sagte er verdrossen.
    »Quatsch! Wenn Sie’s nur noch ertragen können, zu diesem kleinen Häufchen Scheiße zurückzukehren, dann sollte Ihnen wohl mal jemand die Meinung sagen.« Robard hob seine Augenbrauen, um zu demonstrieren, daß er derjenige sei, der das jetzt tun würde. »Wenn Sie wirklich hergekommen wären, um hier irgendwo zu leben, dann hätten Sie nicht gerade diesen Ort gewählt, weil das hier ein einziges Gefängnis ist, und Sie hätten das bestimmt auch nicht anders gesehen. Unten in Jackson gibt’s bloß ein paar unbebaute Grundstücke und Leute, die in ihren Piper-Comanches durch die Gegend fliegen und nach irgendeiner Chance suchen, wie sie reich werden können. Es würde  Sie  an gar nichts mehr erinnern. Bloß weil Sie sich irgendwelche Fragen ausdenken, heißt das noch lange nicht, daß es darauf auch Antworten gibt.«
    »Das habe ich schon mal gehört«, sagte er und versuchte, sich aus dem Jeep zu wuchten.
    »Dann hätten Sie besser drauf hören sollen«, sagte Robard und griff nach seinem Arm und drückte ihn hoch und hinaus.
    »Die Enkelin vom alten Mann sagt, ich soll sie bumsen, und der Rest ist egal.« Er

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