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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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wenn noch kein Donner zu hören war, es wühlte die Luft auf, und er hatte das Gefühl, daß er nicht mehr übersetzen könnte, bevor das alles losbrach. Auf der ganzen Insel herrschte Stille, und für eine Weile ging er zwischen der Hütte und der Haustreppe hin und her, wartete auf den alten Mann und Newel und beobachtete den Himmel.
    Er mußte sie in irgendein Motel verfrachten, weil er jetzt auf gar keinen Fall mehr die Zeit hatte, mit ihr noch nach Memphis zu fahren. Bloß ins Zimmer mit ihr, dachte er, Licht aus, und dann soll sie ihm ihr Kunststückchen vorführen, und er hätte es hinter sich, ohne überhaupt aus der Stadt zu müssen. Aber es war nicht nur das. Er setzte sich auf die niedrige Stufe und beobachtete, wie die kreideweiße Sonne vom Sturm allmählich ausgewischt wurde. Die Färbung des Himmels änderte sich von Minute zu Minute und war jedesmal violetter und verworrener, wenn er aufsah. Aber der Wind war schwach, und er dachte sich, daß der Regen noch ausbleiben und erst fallen würde, wenn der Wind aufkam.
    Die Schlange, mit der er es hier zu tun hatte, besaß zwei Köpfe. Kopf Nummer eins: Wenn er noch länger so tat, als hätte er mit Beuna irgendwas im Sinn, riskierte er wirklich, sich mit Jackie alles zu verderben, so daß er bei seiner Rückkehr nur noch ein leeres Haus vorfinden würde, in dem nicht mal mehr ein Bleistift lag, der in die richtige Richtung zeigte – was schlicht und einfach verhängnisvoll wäre, obwohl er dieses Fiasko durchaus eingeplant hatte oder dachte, er hätte es, bevor er das Risiko eingegangen war, und so konnte er sich jetzt nicht beklagen, wenn es das war, was er sich eingehandelt hatte.
    Kopf Nummer zwei: Ihm war nicht allzu wohl dabei, daß Newel dauernd behauptete, irgendwas mitzukriegen, auch wenn er weit und breit der einzige war, und es konnte ihm auch egal sein, aber offenbar war es das doch nicht, da es bei ihm irgendwelche bösen Vorahnungen auslöste. Es machte ihn ganz kribbelig.
    Mrs. Lamb trat an den Rand der Treppe und konsultierte das Thermometer-Barometer, das an den Verandapfosten genagelt war. Sie hielt sich die Brille vor die Augen und linste hindurch, starrte dann zum Himmel hinauf, als wolle sie die Meinung der Meßgeräte bekräftigen. Er blickte auf und sah, daß ihre Haare an den Kopf gepreßt und ihre Augen müde waren. Er stand auf, um zur Gin Den zurückzugehen.
    »Es ist schwül«, sagte sie, als hätte sie gerade das Zentrum des ganzen Aufruhrs am Himmel entdeckt und könnte nichts dagegen unternehmen.
    »Ja, Ma’am«, sagte er.
    »Er liebt solche drückenden Tage«, sagte sie ruhig. »Er bleibt bestimmt draußen, bis es dunkel wird, falls es nicht regnet oder der andere Mann mit dem Boot kentert.«
    Er musterte seinen Jeep, als wäre er gerade angekommen, blickte dann den Fahrweg hinunter, bis dorthin, wo er im Tal verschwand. »Das tut er hoffentlich nicht«, sagte er.
    »Ziehen Sie ab?« fragte sie.
    »Ja, Ma’am«.
    »Und wohin fahren Sie noch mal?«
    »Kalifornien«, sagte er. Er stand im Gras vor dem Haus. »Da unten lebt meine Frau.«
    »Was wollen Sie da machen?« fragte sie, nur um Zeit totzuschlagen.
    »Wieder arbeiten«, sagte er. »Auf dem Bau. So was.«
    »Sie wollen Sie nicht wieder hierherbringen?«
    »Nein, Ma’am«, sagte er, stützte die Fußspitze gegen die Stufe und beobachtete sie.
    Mrs. Lamb hob das Kinn, als ob sie irgendeinen Geruch in der Luft wittere, der sie vom Gespräch ablenkte. »Nun ja«, sagte sie, »Sie kommen und gehen.«
    »Ja, Ma’am«, sagte er.
    Sie musterte ihn einen Augenblick lang hoheitsvoll und ging dann wieder nach drinnen.
    Gerade als sie die Tür hinter sich zufallen ließ, kam ihm in den Sinn, daß er sie hätte bitten können, ihn auszuzahlen. Er hätte die Insel verlassen können, solange es noch hell war und kein Regen fiel. Aber sie schloß die Tür, und es war nun nicht mehr möglich, das Geld noch einmal zur Sprache zu bringen, obwohl er wußte, daß sie für die Auszahlungen zuständig war, und wenn der alte Mann wieder da war, mußte er einfach noch mal hingehen und sich das Geld von dort holen, wo immer sie es vergraben hatte.
    Er ging über den Hof zur Gin Den. Landrieu war in sein Haus gehumpelt und nicht wieder herausgekommen. Der Hund war hinter dem Jeep hergesprungen, aber nach kurzer Zeit wieder zurückgekommen und hatte sich unter der Treppe schlafen gelegt. Und seitdem hatte er nur gewartet. Er holte wieder die Postkarte heraus und betrachtete sie. Der lachende

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