Ein Stueck meines Herzens
der du wohnst?« fragte Beuna, musterte über die Fensterleiste hinweg den Parkplatz und sog noch einmal an ihrem Strohhalm.
»Komm mal ’n Moment mit rein.«
»Du kannst mich mal.« Sie warf den Becher mit dem zerstampften Eis aus dem Fenster.
»Ich will nicht, daß uns irgendwer sieht«, sagte er.
»Das hier is’ ’n verdammter Puff«, sagte sie laut und stieß ihre Lippe vor. »Brashears ist das scheißegal, selbst wenn du mit ’m verdammten Schaf hier reingehst. Er weiß Bescheid. Du hast sowieso für ’n Doppelzimmer bezahlt.«
»Das hab ich nicht«, sagte er leise und schaute zur Rezeption hinüber.
Ein Lastwagen mit Negern fuhr vorbei, der auf dem Weg nach Marvell war, und die Männer standen auf der Ladefläche an die Latten gelehnt und starrten hinaus wie Sträflinge. Einer von ihnen schrie dem Fahrer etwas zu und schwenkte seinen Hut, und er hörte, wie alle anderen lachten, der Fahrer drückte auf die Hupe, und ein paar von ihnen fingen an zu johlen.
Beuna schaute aus dem Seitenfenster, und sie hatte ihren Kopf so zur Seite gedreht, daß ihr Kinn wie ein Teil ihrer Brüste wirkte. Er griff plötzlich nach ihrem Arm und zog sie zu sich herüber und küßte sie auf den Mund, aber sie beugte die Arme nicht und hielt den Nacken steif, und als er zu ihr aufschaute, starrte sie ihn an, und auf ihren Lippen lag der Anflug eines Lächelns. Er fuhr mit der Zunge hinter seinen Zähnen entlang. »Was ist denn mit dir los, zum Teufel?« fragte er. Er packte erneut ihren Arm, bis er sah, wie seine Knöchel weiß wurden.
Ihre Augen weiteten sich, und ihre Pupillen wurden flach und füllten sich mit Wasser, und sie begann zu zittern und zu stöhnen. »Ich kenne dich nicht«, sagte sie, bekam keine Luft mehr, Tränen liefen an ihrem Gesicht herunter und verschwanden zwischen ihren Brüsten.
»Doch, das tust du«, sagte er. »Du kennst mich, Süße.«
Sie schluckte. »Ich dachte, wir fahren, und jetzt fahren wir gar nicht«, sagte sie und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. »Jetzt gehen wir bloß in das Zimmer da.«
Er rieb sich die Augenbrauen mit seinem Daumen und starrte auf den Boden. »Es hat eben nicht alles geklappt.«
»Warum können wir denn nicht fahren?« stöhnte sie.
»Ich kann jetzt einfach nicht nach Memphis«, sagte er.
»Aber ich«, heulte sie, und wieder brach ein Schwall Tränen los und überströmte ihre Wangen.
»Ich möchte auch fahren, Schatz, aber manche Dinge gehen einfach nicht.«
»Du kleiner Scheißkerl«, sagte sie. »Du machst mir alles kaputt, du zerstörst meine ganzen Hoffnungen.«
»Komm rein«, sagte er sanft und schaute noch einmal zu Brashears Rezeption zurück, während er hinter sich den Türknauf drehte.
Er führte sie in das kühle Zimmer, das in grünliche Schatten getaucht war. Das Bett war zerwühlt, und seine Kleidertüte lag achtlos hingeworfen auf dem Stuhl. Das Licht im Badezimmer war an, und Beuna ging hinein und schloß die Tür.
Er zog seine Stiefel aus und hörte, wie sie mit irgendwelchen Sachen im Waschbecken herumklapperte und die Toilettenspülung zog. Er sah sich nach einem Radio um, aber in dem Zimmer gab es keins. Er sehnte sich nach einem Kaffee und einem Sandwich und beschloß, daß sie nach einer Weile nach Marvell fahren und Lebensmittel kaufen und sie wieder herbringen konnten. Er spähte durch den Vorhang hinaus und sah bloß seinen Pickup allein in der kühlen, Regen verheißenden Brise stehen. Der Himmel war dunstig, und die Sonne war höher in die Wolken geklettert. Ein schwarzer Cadillac fuhr in Richtung Stadt vorbei und verschwand hinter den beiden Enten.
Beuna kam aus dem Bad, ihre Lippen waren vom Weinen geschwollen, und ihr Kleid schlackerte im Rücken. Sie hatte das Licht angelassen und blieb stehen, so daß es von hinten auf sie fiel und er die Umrisse ihres Körpers erkennen konnte.
»Ich bin nicht wütend auf dich«, sagte sie und schniefte. »Auf das Peabody kommt’s gar nicht an. Ich wollte bloß wie ’n junges Mädchen aussehen, das du mit nach Memphis nimmst. Aber es ist nicht so wichtig.«
Er beobachtete, wie ihre Beine sich hinter dem Gazekleid bewegten und zuckten, und spürte, wie ihm alles davonschwamm. »Komm her«, sagte sie. Sie zog eine Hand hinter ihrem Rücken hervor und hielt einen kleinen Plastikbeutel zwischen den Fingern.
Er ging zu ihr hin, und sie umklammerte seinen Kopf mit ihren Händen und küßte ihn auf den Mund und preßte seine Lippen gegen seine Zähne, so daß ihm die Ohren dröhnten.
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