Ein Stueck meines Herzens
machen Sie hier eigentlich, Hewes – versuchen Sie auch, irgendwo Scheiße zu bauen?«
»Ich wollte mal einen Blick auf Sie werfen.«
»Warum denn zum Teufel?« Der alte Mann hatte sich unter der Glühbirne zusammengekrümmt und stierte hoch.
»Vielleicht würde mir ja einfallen, daß ich Ihnen den Hals umdrehen möchte.«
Der alte Mann lächelte sofort. »Der alte Buck hat vielleicht nicht allzuviel gewußt, aber er wußte wenigstens, wie man sich anständig umbringt. Du weißt ja nicht mal das, Hewes.« Rudolphs Lächeln wurde immer breiter, bis er die dunklen Flecken auf seinem Zahnfleisch sehen konnte.
Er blickte auf den alten Mann im schäbigen Lichtkegel, der gehässig zu ihm herüberschielte, bis er den Drang verspürte, wegzugehen, in der Nacht wiederzukommen und das Haus und alles darin niederzubrennen.
Er ging durch die Küche hinaus und zurück zum Pickup, ohne ein einziges Mal stehenzubleiben. Aber als er einstieg, versuchte er, an Buck zu denken, der sich umgebracht hatte; wie er in dem kleinen, kalten Haus aufwachte, hinausschaute und gar nichts sah und wußte, daß in einer Stunde oder einer halben die Ärzte kämen und es nichts gab, worauf er sich freuen konnte, als mit dem alten Mann zusammenzusitzen, während der auf die Felder starrte und weinte, bis er selbst schlafen ging, und der alte Mann dasaß und im Halbschlaf von Edwina und Tarquini brabbelte und wie es geschehen konnte, daß ihm alles entglitten war. Und er dachte, daß das am Ende vielleicht einfach gereicht hatte, um ihn dazu zu bringen, das Propan aufzudrehen und sich schlafen zu legen, daß es nur eine Art Müdigkeit war, und einzuschlafen das Beste, was man tun konnte. Er saß lange da und horchte auf die Lastwagen, die die Straße nach Memphis herunterzischten, und beschloß, daß diese Geschichte, auch wenn sie ihn deprimierte, nichts mit ihm zu tun hatte und sein Leben überhaupt nicht betraf.
12
Als er an den Rangierbahnhöfen in Helena gearbeitet hatte, sagten die alten Bosse immer, der Fluß wäre einmal da gewesen, wo jetzt die Stadt war, und die Stadt wäre auf dem Kudzu-Felsen erbaut worden, der das heutige Helena überrage und wo jetzt West Helena sei. Sie sagten, eines Nachts hätte der Fluß einfach seinen Lauf geändert, sich fünf Meilen nach Osten verlagert und eine dicke schlammige Ebene hinterlassen, auf die die Bewohner des Felsens hinunterstarrten und die sie beunruhigte. Sie sagten, nach und nach hätten sich die Leute vom Felsen heruntergewagt und begonnen, sich dort niederzulassen, wo der Fluß gewesen war, und Läden und Häuser zu bauen. Nach einer Weile zogen alle nach unten, nannten die alte Stadt West Helena und die neue unten am Fuß des Felsens Helena. Die Männer im Rangierbahnhof nannten diesen Umzug »Den Großen Abstieg« und schworen, daß die Stadt, als sie den Felsen verlassen habe, schlecht beraten gewesen sei und nun Unglück erleiden müsse, weil – und das schien durchaus plausibel – die Stadt nun von der Laune des Flusses abhängig war, und sie glaubten, daß man alles, was man dem Fluß schuldete, auch bezahlen mußte. Und wenn es ans Bezahlen ginge, würde der Preis hoch sein.
Als er Beuna das erzählt hatte, hatte sie ihn mit einem gequälten Gesichtsausdruck angesehen und gesagt: »Ach Scheiße, Robard. Wir sterben doch alle früher oder später. Und diese Arschlöcher glauben, sie wüßten, warum. Aber ich find’s völlig in Ordnung, daß es keinen besonderen Grund gibt.«
Er erreichte Helena am Mittag und fuhr unter dem bleichen und heißen Himmel direkt vom Felsen hinunter in die Stadt und mitten hindurch, während ein Gefühl der Beklommenheit in ihm aufkam. Auf den Straßen drängten sich Leute vom Land, die zum Mittagessen in die Stadt gekommen waren. Er dachte, daß jeder, der den Pickup bemerkte, auch ihn bemerken würde, und daß jeder, der ihn bemerkte, gefährlich war. Er behielt die Türen und die Straßenmündungen im Auge, für den Fall, daß W. W. plötzlich aus irgendeiner Bar herausstürzte und einfach da stünde und irgend etwas auf der Straße wie im Traum anstarrte, weil er es wiederzuerkennen glaubte, aber nicht wußte, woher, daß er es aber erkennen würde , wenn er noch eine Minute länger Zeit hätte, darüber nachzugrübeln.
Als er in Tulare aufgetaucht war, hatte sich W.s Laune verfinstert, als brüte er irgendwelche bösen Gedanken aus, die er aber nicht aufkommen lassen wollte, weil solche Sorgen seinen schnellen Würfen schaden konnten. Statt
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