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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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dessen war W. herumgelaufen und hatte Trübsal geblasen, die Stirn gerunzelt und sich so benommen, als hätte er in eine Quitte gebissen und kriegte den Mund nicht auf, war aber die ganze Zeit sehr unruhig gewesen. Er hatte versucht, sich so zu setzen, daß W. ihn jederzeit sehen konnte, wenn er wollte, und er hatte gedacht, das könnte vielleicht W.s Verdacht zerstreuen, der irgend etwas herauszubekommen versuchte, was ihm selbst nicht ganz klar war.
    Auf der heißen Haupttribüne fragte er sie, ob sie glaubte, daß W. vielleicht etwas gemerkt hätte, und sie lachte so heftig, daß ihr ganzer Körper mächtig zu zucken begann. »Wovon?« fragte sie in ihrem gehässigsten Tonfall. »Der hat nichts als Baseball im Kopf. Und soweit ich weiß, wird ein Baseball nicht mißtrauisch.«
    Nur daß W. sich vielleicht als weniger schwerfällig erweisen würde, wenn er erst mal herausbekam, was mit seiner Frau passierte, während er Teile in Luftgewehre einschraubte, dachte er, während er den Leuten zuschaute, die in der Sonne kreuz und quer über die Main Street schlenderten. In all den Jahren, in denen W. einen Haufen Geld hätte machen können, aber statt dessen für acht Mark in der Stunde Luftgewehre bauen und in der Industrial League in Forrest City pitchen mußte, hatte sich bestimmt eine Menge Bosheit in ihm angesammelt, die er gut loswerden konnte, wenn er nur einen erwischte, der es mit seiner Frau trieb, und er eine Gelegenheit fand, ihn abzuknallen.
    Die einzige Alternative war deshalb, schlau zu sein und  sich rauszuhalten . Das war ihm schon seit langem klar. Aber erst jetzt, als er an der Ampel wartete und glaubte, daß jeder, der vorm Pickup vorbeiging, einen kurzen Blick auf sein Nummernschild und einen längeren auf ihn warf, merkte er, daß er Grund genug hatte, sich nicht in der Stadt herumzutreiben. Er mußte schon warten, bis es dunkel war, um in die Stadt zu kommen, Beuna einzusammeln und mit ihr irgendwo hinzufahren, wo sie nicht jedesmal aufspringen mußten, wenn ein Insekt gegen den Fliegendraht flog, oder dauernd nach ihren Kleidern langen, weil sie Angst hatten, daß es W. W. war, der seine Baseballschuhe holen oder seine Lunchbox abstellen wollte, bevor er zum Training fuhr. Er dachte, er sollte den Pickup abstellen, und zwar rückwärts an eine Wand gefahren, und sich ihm nur nähern, wenn es unbedingt nötig war. Denn jedesmal, wenn er in den Wagen steigen würde, ging er ein Risiko ein, und jedesmal, wenn er mit Beuna einstieg, bettelte er geradezu darum, umgelegt zu werden.
    Er fuhr über die Kreuzung, hielt an, beobachtete die Straße im Rückspiegel und dachte, daß er vielleicht jemanden entdecken würde. Aber als er niemanden sah, stieg er aus, ging in den Drugstore, kaufte eine Zeitung und fuhr, wobei er sich ganz auf die Straße konzentrierte, mit Vollgas aus der Stadt.
    Zwei Kilometer nach dem letzten Hotel hielt er bei einem Drive-In und parkte auf der der Stadt abgewandten Seite. Das Restaurant war ein kleiner rosa Bau aus Holzziegeln mit einer rot-weiß gestreiften Markise an der Rückseite. Ein Mädchen kam unter die Markise, nahm seine Bestellung auf und verschwand wieder. Von den Feldern wehte eine Brise herüber, wirbelte Staub auf, ließ die Markise ächzen und über die Verstrebung schwingen.
    Er schlug die Zeitung auf und starrte auf die Stellenanzeigen. Es gab einen Job in Helena, Linoleum-Fliesen legen, einen weiteren in Helena bei einer Bagger-Crew des Ingenieurkorps, einen Job in San Bernadino – Umzüge –, einen Job in Elaine, das Land von irgend jemandem bewachen, und einen Job, bei dem eine Stanzmaschine in der Luftgewehrfabrik zu bedienen war.
    Er legte die Zeitung über das Steuerrad und starrte unter der Markise hindurch auf die Felder, hinter denen er den niedrigen Saum hellgrüner Nadelwälder ausmachen konnte. Dahinter lag der Fluß. Die Markise wölbte sich leicht im Wind, die Sonne trieb hinter den Wolken, und er roch seinen Sandwich, der in der Küche aus Holzziegeln briet. Er versuchte, sich klarzumachen, was er hier eigentlich tat. Obwohl er sich das gar nicht vorgenommen hatte, hatte er sich gleich nach einem Job umgetan, als wäre es bitter nötig, Arbeit zu finden. Das ärgerte ihn. Denn was sollte aus Jackie werden, die zu Hause in ihrem Zimmer lag und Gott weiß was dachte? Die sich vielleicht vornahm, ihn nie wieder zu sehen, inzwischen schon irgendwohin verschwunden war, wo er sie nie wiederfinden würde? Er hatte immer angenommen, daß, wenn man

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