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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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seine Shorts inzwischen verloren hatte und mit seinen baumelnden Eiern in der kalten Strömung trieb, die so für jeden nach Futter suchenden Fisch willkommene Beute waren.
    Die Männer mit dem Kahn gingen, anscheinend ohne Eile, den Landungssteg hoch. Der Busfahrer stand am Kantstein und zeigte zur Unterhaltung seiner Fahrgäste auf den Kopf eines Mannes, der mit der Strömung davontrieb.
    Wasser sprühte gegen seinen Nacken, und er spürte, daß er kälter wurde, während er einen gleichbleibenden Abstand von drei Metern zum Ufer einhielt, aber nirgends den Boden berühren konnte. Er wollte sich nicht umdrehen, um auf den Fluß zurückzuschauen, da er das Gefühl hatte, daß seine Unermeßlichkeit ihn schockieren und Panik in ihm auslösen könnte. Dennoch überraschte es ihn, daß er, nachdem er einmal Atem geholt hatte, relativ wenig Angst verspürte, solange er das Ufer vor Augen hatte, und daß er nichts von jener verschlingenden Hysterie merkte, die er befürchtet hatte. Es war nicht schwer, sich über Wasser zu halten, denn die Strömung trug ihn, während sie ihn stetig weitertrieb, und er fühlte sich ungewöhnlich entspannt, obwohl er fror und es ihn immer noch irritierte, daß sein Schwanz jederzeit zum Futter für die Fische werden konnte.
    Er konnte die Kahnführer sehen, die einen langen hölzernen Backspier aus dem verdeckten Heck des Bootes holten und ihn ins Wasser zerrten, als wollten sie damit gegen die Strömung anstaken. Er schaute zurück zum Bus. Mehrere Kinder rannten jetzt am Ufer entlang, obwohl die meisten Fahrgäste zurück zum Bus hochschlenderten.
    Die Kahnführer nahmen Stellung am Bug des Bootes, während sie den Spier im Wasser mitzogen, standen da und schauten ihm unbeteiligt zu. Er schätzte, daß er, um nicht mit dem Bug des Kahns zusammenzustoßen und von der Strömung hinabgerissen zu werden, einige Meter in den Fluß hinaus ausweichen mußte, aber nicht zu weit hinausschwimmen durfte, damit sie ihn noch erreichen konnten. Der Kahn wurde langsam größer, und er krümmte sich, um ihm auszuweichen, und stieß sich kraftvoll weiter vom Ufer weg. Er arbeitete sich vor, bis er sehen konnte, wie er knapp an der bleiernen Kante des Kahns vorbeischwimmen, auf eine Höhe mit dem Spier kommen und ihn mit etwas Glück im Vorbeitreiben packen könnte. Als er aber den Bug des Kahns erreichte, um den sich Berge von gelblichem Schaum gebildet hatten, geriet er plötzlich in einen Strudel, der ihn vom Ende der Stange, das die Kahnführer in seine Richtung geschoben hatten, fortwirbelte. Er wurde gedreht, schaute auf den Fluß und erblickte Arkansas, das flach ausgedehnt in der Ferne lag. Er langte hinter sich und bemühte sich, die Stange wieder ausfindig zu machen. Der Kahn machte ein dumpfes gurgelndes Geräusch, dessen Vibrationen er unter der Oberfläche fühlen konnte. Er atmete eine Menge Schaum ein. Einer der Kahnführer schrie etwas, und er spürte, wie das abgesägte Ende des Spiers seinen Rücken streifte und ihn dazu verleitete, krampfhaft hinter sich zu greifen, nach allem zu greifen, was er nur fassen konnte, wobei er die Stange aber ganz verfehlte.
    Und plötzlich stieg Panik in ihm auf. Seine Ohren fühlten sich an, als ob jemand in nächster Nähe ein Radio angedreht hätte, in dem nichts als ein lautes Rauschen zu hören war. Er drosch in allen Richtungen aufs Wasser ein. Sein Kopf versank für einen Augenblick, und er spürte, daß seine Füße in eine dichtere Zone kalten Wassers gerieten. Seine Haut zog sich zusammen, und er streckte sich, um seine Nase hoch zu kriegen und einen Blick auf den Kahn und die Küste und die Memphis-Skyline zu werfen, bevor er ertrank. Während er sich noch aufbäumte, um seinen Kopf zu heben, schlängelte sich ein schweres Gewicht um seinen Hals und raubte ihm für einen Moment den Atem, so daß er würgte und mit seinen Fäusten schlug, als werde er angegriffen. Er fühlte, wie es, weil die Strömung so stark war, in seine Haut einschnitt. Er schluckte noch einmal eine gewaltige Wassermenge und fühlte, wie er sank. Die Strömung zog ihn weiter, und er versuchte, seinen Kopf zu heben, um aufzusehen, aber die Strömung klatschte Wasser in sein Gesicht, und er begriff, daß er nicht sehen könnte, ohne daß das Wasser direkt in seine Nase lief.
    Er fühlte, wie er langsam an die Seite der Strömung geriet, statt einfach gegen sie angeschleift zu werden, und er machte sich steif, schloß die Augen und hoffte auf eine bessere Behandlung. Und dann

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