Ein Stueck meines Herzens
hörte die Strömung fast ganz auf. Er hob seinen Kopf ein paar Zentimeter über die Wasseroberfläche und sah, daß er in die Flaute hinter den Kahn geschleppt worden war. Die Oberfläche brodelte vom Diesel des Kahns, und das Wasser war schmierig und zähflüssig und schmeckte metallisch, aber das Seil würgte ihn nicht mehr.
Er ließ sich ans Ufer ziehen, ließ das Seil los, beruhigte sich im glucksenden Wasser und versuchte, tief Luft zu holen. Er rülpste, spuckte Wasser, versuchte etwas zu sehen und entdeckte, daß die Männer, die ihn mit dem Seil herausgezogen hatten, inzwischen aus dem Kahn herausgeklettert waren und ihn teilnahmslos beobachteten. Er versuchte, sie zu erkennen, aber die Sonne stand jetzt höher am Himmel und schien ihm fast direkt in die Augen.
»Kein Wunder, daß er fast ertrunken wäre«, bemerkte einer der Männer, »er ist so beschissen groß.«
Der andere Mann begann, das Seil aufzurollen, und zog es über seine Schulter. Ein schwerer Rettungsring aus Segeltuch stieß ihm ans Ohr und schlitterte über die Ziegel auf die Füße der Männer zu.
»Warum haben Sie nicht nach dem Ring gegriffen?« fragte der erste Mann gereizt. »Ich habe den allerbesten Wurf meines Lebens gemacht, und Sie greifen nach dem Seil.«
Er rülpste etwas nach Wild schmeckendes Wasser hoch.
»Sie wären fast erstickt«, sagte der Mann. Es klang melancholisch.
Er blinzelte in die Sonne und sah, daß die beiden Männer Zwillinge waren und ihn anstarrten, als wäre er ein seltener Fisch, den sie an Land gezogen hatten, und als wüßten sie nun nicht, was sie von ihm halten sollten.
»Haben Sie irgendwo ’ne Decke?« fragte er.
»Sie können sich ein Handtuch leihen«, sagte der Zwilling ohne Seil und ging wieder zum Kahn zurück.
Er zog sich ein bißchen weiter die Ziegel hinauf. Auf seiner Schulter war eine große brennende Strieme, auf der sich die Haut abschälte, und sein Ohr fühlte sich an, als wäre es größer geworden. In seinen Füßen schwand allmählich die Taubheit, und er begann, wieder seinen ganzen Körper zu fühlen.
Er wollte etwas zu dem Mann mit dem Rettungsring sagen. Aber der Mann starrte ihn einfach nur spöttisch an und sah enttäuscht aus, weil er seinen Wurf an das verschwendet hatte, was er da an Land gezogen hatte.
Der Zwilling kehrte zurück und schlenkerte mit einem verkrusteten Handtuch, auf dem »Peabody Hotel« stand. Das Handtuch war hart von Achsenschmiere und roch nach Diesel. Der Mann warf es ihm zu und stand neben seinem Bruder, als ob er unsicher wäre, was er wohl als nächstes zu sehen bekäme. Er breitete das Handtuch über seinen Unterleib und versuchte schnell, sich etwas einfallen zu lassen, was er zum Dank sagen konnte, ohne allzuviel Zeit damit zu verschwenden. Die Männer waren in den Dreißigern und trugen ölige Jeans und ölige Stiefel. Der Zwilling, der das Handtuch besorgt hatte, trug ein grünes Cowboyhemd, während sein Bruder ein aquamarinblaues T-Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln und dem Aufdruck » UCLA Tennis Team« anhatte. Er lag einen Augenblick da und versuchte auf etwas zu kommen, was er sagen konnte, ließ seine Zehen ins Wasser baumeln und blickte abwechselnd in ihre langen unbeweglichen Gesichter.
»Das Handtuch kriegen Sie gleich wieder«, sagte er und starrte hinunter auf den Steinstrand. Er versuchte aufzustehen und fühlte, wie sein Brustkasten absackte und sein Rücken anfing zu brennen, wo die Stange ihn gequetscht hatte. Er sah hoffnungsvoll auf die Männer. Der Bruder, der losgegangen war, um das Handtuch zu holen, lächelte, aber der andere schien zu grollen und hielt den Rettungsring in einer Hand, als ob alle Vernunft ihn verlassen hätte, er aber diesen Mangel noch nicht bemerkt hätte.
»Danke, daß Sie mich gerettet haben«, sagte er.
»Noch mal würde ich’s nicht tun«, sagte der Bruder, der nicht lächelte.
Er versuchte, den Ernst der Drohung abzuwägen, gab es dann aber auf, humpelte zurück über die Ziegel und hielt sich das Handtuch um seinen Bauch. Die Sonne begann, auf seinen Schultern zu stechen.
Auf seiner Hose waren mehrere schlammige Fußabdrücke, und eine Socke war bis ans Wasser geschubst worden. Er suchte mit den Augen den Strand und die Straße, auf der ein paar Autos zu sehen waren, ab. Der Bus war verschwunden. Ein paar Autofahrer starrten zu ihm herüber und machten Bemerkungen, die er nicht hören konnte, und er begann, seine Kleider aufzusammeln.
Ein Kombi hielt am Kantstein, ein blauer
Weitere Kostenlose Bücher