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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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ein«, sagte sie.
    »Es ging nicht ums Bumsen, das ist der Punkt. Er wußte einfach nur nicht, was zum Teufel eigentlich los war. Es war bloß etwas, das geschah. Wer weiß, was sonst mit seinem Verstand passiert wäre. Als ich klein war, hatten wir mal eine Reifenpanne mitten auf der Brücke bei Vicksburg, und meine Mutter hat mich gepackt und mich so festgehalten, daß ich keine Luft mehr gekriegt habe, bis er den Reifen gewechselt hatte. Sie sagte, sie hätte Angst gehabt, daß irgendwas passiert.«
    »Sie hat gedacht, er wär schon verrückt, richtig?«
    »Sie wußte schon über diese Zimmer Bescheid.«
    »Hatte sie Angst, daß er plötzlich beschließt, euch alle umzubringen?«
    »Ich glaube nicht, daß sie sich so genaue Vorstellungen machte. Aber man kann sehr wohl zu dem Schluß kommen, daß einige Dinge einfach schrecklich sind, ohne verrückt zu sein. Sie wußte einfach, wo die Grenzen waren. Er hat das nie gemerkt, weil er sich immer nur angepaßt hat.«
    »Das ist sehr romantisch, aber was hat das mit dir zu tun?«
    »Es macht mir eine Scheißangst.« Er versuchte, ihren Gesichtsausdruck auszumachen, aber es gelang ihm nicht. »Ich will nicht, daß sich alles wiederholt. Die Vergangenheit sollte einem doch irgendeine Richtschnur an die Hand geben, um die Situationen einzuschätzen. Und deshalb hat es auch was mit mir zu tun, weil ich sage, daß es was mit mir zu tun hat.«
    »Darauf muß ich gar nicht antworten«, sagte sie.
    »Sollte ich nicht wenigstens noch  irgend etwas  anderes haben als die Gewißheit, daß sich im Endeffekt alles wiederholt? Vielleicht sollte ich dich heiraten oder mich umbringen wie dein Alter. In beiden Fällen wäre ich ’ne Menge Sorgen los.«
    »Also?« fragte sie und spielte mit dem Griff ihres Koffers.
    »Ich bin einsam, das ist alles.«
    »Und was tust du jetzt?«
    »Was soll das heißen, was tu ich jetzt?«
    »Um zu klären, was du klären mußt, was immer das auch sein mag. Wenn das so wichtig ist, dann finde ich, daß du etwas unternehmen mußt.«
    »Ich mach mir Sorgen.«
    Sie legte sich zurück, mit ihren Ellbogen am Fensterrahmen, und blickte auf die von einem schwachen Hof umgebenen Lichter. Er konnte sie atmen hören, während das Glas in winzigen Ringen beschlug, die sich ausbreiteten und wieder schrumpften. Er spürte, wie sein Körper zusammensackte, als fiele sein Oberkörper langsam auf den Boden zu. Er fühlte sich wie ein Gegenstand in der unbeweglichen Finsternis.
    Sie rutschte über die Laken, ihre Zehen berührten den Fußboden, und ihre Gestalt erschien im Fensterrahmen. »Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte sie.
    »Es ist einfach kompliziert«, sagte er und wurde traurig.
    »Fahr doch auf die Insel«, sagte sie fröhlich, als hätte das die ganze Zeit schon zur Debatte gestanden und als ob sie es bloß noch mal wiederholen wollte.
    »Und was soll ich da tun?« fragte er gereizt. »Durch den Wald rennen und rumschreien, während sie auf mich schießen?«
    »Ich weiß nicht,  was «, sagte sie. »Aber für dich gibt’s keinen andern Ort, an dem du das klären kannst, was du unglücklicherweise klären mußt, was immer das auch ist, dieser ganze trostlose Müll, über den du so rumgejammert hast. Wenn es dir nicht paßt, woanders hinzuziehen, wo’s etwas ordentlicher ist, dann bums mich und sei nett – das ist alles, was ich dir anbieten kann.« Sie lächelte.
    »Wenn du nicht bumsen kannst, ist dir alles egal, was?«
    »Ich finde, daß ich gezeigt habe, daß es mir nicht egal ist«, sagte sie, »und du hast mich bloß beleidigt und dich gehen lassen. Ich habe es satt, mich mit dir zu streiten.«
    Sie stand auf. Er starrte sie aus dem Schatten heraus an.
    »Was soll ich denn da machen?« fragte er.
    »Es ist ein sehr guter Ort, wenn man wieder zu sich kommen will oder tun will, was einem Spaß macht. Es ist Mississippi, wo es am prächtigsten und lächerlichsten ist. Du kannst noch heute abend fahren, wenn du willst; ich muß nur beim Bootsschuppen anrufen.« Sie setzte ihren Koffer auf dem Bett ab und schnappte die Verschlüsse auf, um nach der Nummer zu suchen.
    »Bleib vom Telefon weg!«
    »Erwartest du einen Anruf?« fragte sie und wühlte in ihrem Koffer.
    »Irgendein Arschloch ruft mich dauernd an und fragt mich, ob ich weiß, wo meine Frau ist, und legt dann wieder auf.«
    »Dann ruf ich morgen an. Morgen bin ich wieder da. Ich erzähl Popo, daß du kommst, aber daß er nicht mit dir rechnen soll, bis er dich vor sich hat. Das ist doch

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