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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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reicht!« kreischte Gaspareau. »Ich muß hier wieder raus.« Der alte Mann nahm seine Fliegerbrille ab und warf ihm einen schrägen Blick zu. »Was mit dem Hirsch passiert ist, was?« sagte Gaspareau. »Das war doch ’n Ding, oder nicht?« Er knetete seine Augen mit den Knöcheln.
    »Was  ist  denn passiert?«
    Gaspareau lächelte. »Ein Hecht«, sagte er. »Ein Hornhecht ist rangeschwommen und hat ihn sich geschnappt. Das seh ich nicht zum ersten Mal.«
    »Aber doch nicht runtergeschluckt«, sagte er ungläubig. »Er hat ihn doch nicht runtergeschluckt, oder?«
    »Nein, nicht runtergeschluckt, geschnappt!« sagte Gaspareau. »So groß ist sein Maul nun auch wieder nicht. Er hat ihn einfach an einem Vorderbein gepackt und ist auf den Grund gegangen, wie ’n Barsch mit ’ner Kaulquappe. Deshalb schwimmen die Hirsche auch hier nicht so gern.«
    Er versuchte, sich einen Fisch vorzustellen, der groß genug war, einen hundertfünfzig Pfund schweren Hirsch hinabzuziehen, als wäre er eine Kaulquappe, aber es gelang ihm nicht.
    »Als der Fluß sich verlagert hat«, sagte Gaspareau und rieb sich immer noch die Augen, »sind alle Fische gestrandet, und danach sind die großen größer geworden, als sie eigentlich sollten. Die Leute haben keine Langleinen mehr ausgelegt und keinen der großen Hechte gefangen, statt dessen haben sie Wels gegessen, und ziemlich bald gab’s ’n paar verdammt große Hechte.«
    »Aber einen Hirsch?« sagte er. Er konnte sich das alles nicht vorstellen.
    »Ich hab schon gesehen, wie sie ’n Boot umgekippt haben und ’ne Menge Mist angestellt haben«, schnaubte Gaspareau. »Ein Hirsch ist doch gar nichts.«
    Er starrte Gaspareau an und versuchte an seinem Gesicht abzulesen, ob er die Wahrheit sagte.
    »Sehen Sie den Jeep da?« fragte Gaspareau und zeigte mit seinem Stock den Hügel hoch.
    Er blickte skeptisch zum Jeep hinüber.
    »Der gehört dem alten Mann. Der Schlüssel steckt. Wenn Sie’s schaffen, ihn zu starten, können Sie damit zu seinem Haus fahren. Wenn nicht, müssen Sie die fünf Kilometer laufen. Hewes, sagen Sie Mr. Lamb, daß Sie der letzte sind, den ich rüberschicke. Er kann Sie auch gleich nehmen.« Robard nickte. »Ich weiß allerdings nicht, was  Sie  ihm erzählen wollen, Newman«, sagte Gaspareau voller Abscheu.
    »Newel«, sagte er.
    »Ist mir scheißegal. Er hat so seine eigenen Ansichten darüber, wer hierherkommen kann und wann.«
    »Wenn er mich nicht mag, kann er mich ja wieder in die Wüste schicken«, sagte er und hatte das Gefühl, daß es ihm jetzt richtig Spaß machen würde, Gaspareau in die Fresse zu treten. »Spritzen Sie bloß wieder ab auf Ihren Teich.«
    Gaspareaus Hand fiel auf den Pistolengriff, und er grinste.
    Er wandte sich vom alten Mann ab und begann, zum Jeep hochzugehen.
    »Schieben Sie mich hier wieder raus, Hewes«, schrie Gaspareau.
    Robard schob das Boot mit einem Fuß ins Wasser und ließ den alten Mann, der seine Fliegerbrille wieder unter seinem Hut zurechtrückte, rückwärts hinausgleiten. Der Motor sprang an, Gaspareau fuhr mit dem Boot rückwärts an den letzten Stümpfen vorbei, fuhr eine Schleife und jagte auf den See hinaus und auf die Sonne zu.
    Vom Jeep aus sah er den Bug des Bootes aus dem Wasser ragen, während das Gewicht des alten Mannes auf dem Heck lastete.
    Robard setzte sich, blickte ihn an und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Eins will ich Ihnen sagen«, sagte Robard müde und legte seinen Kleidersack in den Kofferraum. »Wenn Sie so ’n alten Knacker wütend machen, dann bringt er Sie um.«
    Er starrte dem alten Mann nach, der wie ein Wasserkäfer davonraste. Der Motor heulte in der Entfernung auf. »Er hat mich behandelt, als wär ich ein beschissener Parvenu.«
    »Ich weiß zwar nicht, was das ist«, sagte Robard, machte sich an der Zündung zu schaffen und trat gleichzeitig auf den Anlasserknopf. »Aber wenn die Schießerei losgeht, bin ich weg. Als Leiche rumzulaufen würde mir einfach nicht stehen.«
    »Dann halten Sie sich eben raus. Ist mir auch scheißegal«, sagte er.
    »Das werd ich tun«, sagte Robard. »Genau das werd ich tun.«

13
    Der Pfad führte zwischen den Weiden hindurch in ein Riedgrasfeld, das auf der anderen Seite wieder an einen Nadelwaldgürtel grenzte. Die Straße war aufgeweicht, die Reifen rutschten ab und schleuderten den Jeep hin und her. Der Dunst hatte sich aufgelöst, der Himmel war hell und wäßrig, einzelne Wolken drängten sich am Himmel, und die schwindende Sonne lugte

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