Ein Stueck meines Herzens
nicht so anschnauzen. Der Scheißkerl schießt Sie übern Haufen oder setzt einen der Jungen auf Sie an, und keiner wird je ein Wort davon erfahren.«
»Aber Sie wüßten es doch, oder?« fragte er.
Robard nahm einen großen flachen Schraubenzieher mit einem durchsichtigen orangenen Griff, kletterte hinaus und begann, das Nummernschild abzuschrauben. »Ich will Ihnen mal was sagen«, sagte er, hielt eine Schraube in der Hand und machte sich gerade an der anderen zu schaffen. »Ich gehe gewissen Dingen gern aus dem Weg. Bei Kugeln und allem in der Art bin ich nicht gern im Weg.« Robard sah vielsagend zu ihm herauf.
»Ich möchte in etwas reingeraten und nie wieder rauskommen«, sagte er und starrte auf die rostigen Löcher in der Rohrhalterung. »Verstehen Sie, was ich meine?«
»Nein«, sagte Robard. »Ich möchte immer wieder rauskommen. Ich kriege sonst ein ekliges Gefühl, als würde gleich was passieren, aber ich weiß nicht, was.«
Er schaute zu, wie Robard das Nummernschild in eine Zeitung einwickelte und es oben unter den Sitz legte.
»Wenn Sie schlau sind, kommen Sie auch drauf.« Robard lächelte und ging zum Bootsanleger hinunter.
11
Er stand da und lauschte auf das Prasseln der Ahornblätter. Er konnte gerade noch die Silhouette eines Hirschs erkennen, der auf der anderen Seite des Sees regungslos vor dem Wall von Wassereichen und Zypressenwipfeln stand. Er suchte das Ufer nach einer erkennbaren Bresche ab, durch die Gaspareau mit dem Boot steuern konnte, aber die Bäume schienen eine kompakte Wand an der langen Krümmung des Sees zu bilden, und er konnte sich nicht vorstellen, wie ein Boot da durchkommen und zum Ufer dahinter gelangen sollte.
Robard hockte rauchend neben der Klampe für die Leine und schnippte die Asche in seinen Hosenaufschlag.
Die Fliegengittertür schlug zu, und Gaspareau kam ohne die Schrotflinte mit seinem schaukelnden Gang über den Hof, hatte aber einen kleinen silbernen Revolver dabei, der in einem nußbraunen Halfter an seinem Gürtel hing. Er trug einen großen Strohhut mit einer breiten grünen Plastikkrempe, die so weit heruntergezogen war, daß sein Gesicht erst von der Nase abwärts sichtbar war. Robard sah ihn vielsagend an, streifte Gaspareaus Pistole mit einem Blick und starrte dann wieder ausdruckslos auf den See hinaus.
Gaspareau stapfte auf den Anleger, kletterte ins Boot und begann, heftig mit dem Fuß gegen die Gaspumpe zu treten. »Muß noch mal jemand pissen?« fragte er mit verzerrtem Gesichtsausdruck, während ein merkwürdiges kratzendes Geräusch irgendwo unterhalb seiner Kehle entstand.
»Kann ich jetzt die Leine losmachen?« fragte Robard, der neben der Klampe stand.
»Sobald der andere Gentleman eingestiegen ist.«
»Steig ein, Newel«, bellte Robard.
»Wo denn?« fragte er und starrte verständnislos auf das Boot.
Gaspareau hob die Faust fast bis zur Nasenspitze, und seine Stimme schien beinah aus seinem Mund zu kommen. »Setz deinen Arsch in Bewegung und sieh zu, daß du hier reinkommst!« sagte er mit einem wütenden Blick.
»Willst du mit oder willst du dableiben?« fragte Robard und zog am verbrannten Ende der Leine, bis das Boot vom Anleger wegtrudelte. Der alte Mann war im Heck zusammengesunken.
»Laß den Scheißkerl doch einfach da!« brüllte Gaspareau, zog an der Starterschnur, und das Wasser begann zu brodeln. Gaspareau wühlte in seiner Tasche und zerrte eine alte Fliegerbrille aus Gummi hervor, setzte sie auf und seinen Hut obendrauf.
»Newel!« schrie Robard.
»Ich komme.« Er trat ins von der Sonne angewärmte Wasser, kletterte mühsam über das Schanzdeck und fiel Gaspareau genau vor die Füße, der den Motor so laut, wie er konnte, aufheulen ließ.
»Mach die Leine los, Hewes!« Gaspareaus Stimme war aus dem Heulen des Motors kaum noch herauszuhören. »Mach die Leine los, verdammt noch mal!«
Robard zog das Boot an den Anleger heran, sprang hinein, und sie fuhren mit rasender Geschwindigkeit auf den See hinaus und auf den Wall regungsloser Bäume zu.
12
Robard kauerte vorn im Boot, zum Schanzdeck hinuntergebeugt, um seine Zigarette vorm Wind zu schützen. Gaspareau drehte voll auf und ließ sich gegen den Motor zurücksacken. Die Pistole lag vor seinem Bauch, der Lauf zeigte zwischen seine Beine. Er saß trübsinnig in der Mitte und beobachtete den Hirsch, den er vor den Bäumen hatte äsen sehen. Beim Aufheulen des Motors hatte der Hirsch einen Augenblick lang herübergestarrt und war dann im Wald
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