Ein Stueck meines Herzens
verschwunden. Aber als das Boot ablegte und auf den See hinausfuhr, war er, die Nase zum Boot gewandt, wieder aufgetaucht und war in den See getrabt. Sein Kopf ragte kaum über die Wasseroberfläche, während er auf die andere Seite zuschwamm. Er schaute zu, wie der Hirsch mühsam im Wasser vorankam, den Kopf aufrecht hielt und regelmäßig versank und wieder auftauchte, als versuchte er, sich springend in Sicherheit zu bringen. Gaspareau gab ihm einen Stoß in den Rücken und zeigte mit seinem Stock auf den Kopf des Tieres, wobei er etwas aus dem Loch in seinem Hals hervorgurgelte. Einen Augenblick lang dachte er, der alte Mann wollte vorschlagen, Jagd auf den Hirsch zu machen, und so drehte er sich um und schüttelte den Kopf, was Gaspareau nur veranlaßte, noch einmal mit seinem Stock zu zeigen und die Stirn zu runzeln, als sei er nicht verstanden worden. Gaspareau lenkte das Boot näher ans gegenüberliegende Ufer heran in die Fahrrinne zwischen dem Hirsch und den Bäumen, und er kam zu dem Schluß, daß der alte Mann nicht vorgehabt hatte, den Hirsch zu verfolgen, sondern sie beide bloß auf ihn aufmerksam machen wollte. Er warf Gaspareau einen versöhnlichen Blick zu und schielte zurück zu dem Hirsch. Er war fast bis zur Mitte des Sees hinausgeschwommen, und seine Bewegungen waren regelmäßiger und kräftiger geworden, als hätte er das Gefühl, dem entronnen zu sein, was ihn vom Ufer vertrieben hatte. Robard zeigte mit ausgestrecktem Finger auf den Hirsch, und eine Zeitlang beobachteten sie ihn schweigend, während das Boot tuckerte, hin und her schaukelte und sich, schon ein gutes Stück hinter dem Hirsch, dem Ufer näherte. Und plötzlich war der Hirsch verschwunden. Gerade als er mit einem seiner gleichmäßigen Schwimmzüge aus dem Wasser aufgetaucht war, schien er hinabgerissen worden zu sein, als hätte das, was ihn gepackt hatte, mit so furchtbarer Kraft zugeschlagen, daß er nicht einmal mehr nach Luft hatte schnappen können, bevor er unterging. Oder als wäre diese Kraft so unwiderstehlich gewesen, daß er ohne ein Zucken aufgegeben hatte. Die Wasseroberfläche glitzerte, wo er geschwommen war, und wirkte fast unbewegt, bis auf die schwachen Kreise, die von dort über den See liefen. Gaspareau fuhr, ohne anzuhalten, weiter. Er wandte sich der geschlossenen Baumreihe zu, drückte seinen Hut fester auf die Fliegerbrille und schaute weg.
Er starrte an Gaspareau vorbei zu der Stelle zurück, wo der Hirsch geschwommen war, als erwartete er, daß er zwischen den Tentakeln irgendeines Ungeheuers hochschösse und wieder, mit zum Himmel hochgerecktem Kopf, hinabgezogen würde. Aber dort rührte sich nichts, und während er das Wasser absuchte, war er sich immer weniger sicher, wo genau der Hirsch eigentlich gewesen war im Verhältnis zum Anleger, der nun seeabwärts lag und nur noch ein Strich am Ufer war. Langsam wanderte sein Blick von der Stelle, die er wiederzuerkennen glaubte, bis zu einer anderen, weiter entfernten, um die Geschwindigkeit des Bootes einzukalkulieren, aber er konnte nichts sehen oder irgend etwas im See bemerken. Er drehte sich um und starrte an Robard vorbei, der ungerührt schien, sich ins Ankerloch geduckt hatte und sich, vorm Wind geschützt, ein Streichholz an seiner Gürtelschnalle anriß.
Gaspareau drosselte den Motor, richtete den Bug direkt auf die Bäume und ließ das Boot vom Kielwasser zwischen den Stümpfen und Zypressenwurzeln hindurchtreiben, bis es Robard gelang, einen der Baumstämme zu umfassen und das Boot hineinzusteuern. Gaspareau machte den Motor aus, wuchtete ihn aus dem Wasser, hob ein Paddel auf und begann, das Boot mit einer Hand weiterzustaken. Er konnte eine schwach markierte Durchfahrt zwischen den Bäumen erkennen und sah in einiger Entfernung das Heck eines weiteren Arkansas Travelers, der verlassen am Ufer lag und an einen rot markierten Baumstumpf gekettet war. Die Sandbank war zwischen den Bäumen freigehackt und zehn Meter weit bis an den Fuß eines niedrigen Hügels ausgedehnt worden. Oben auf dem Hügel konnte er gerade noch die Windschutzscheibe eines offenen Jeeps erkennen, der am Waldrand stand.
Gaspareau stakte das Boot, und Robard steuerte, bis das Heck auf dem Sand zu schleifen begann und Gaspareau ihm das Ruderblatt in die Rippen stieß. »Zieh uns da rein, Newman – du bist sowieso naß. Das bringt dich nicht um.«
Er kletterte ins Wasser, das kälter und tiefer war als am anderen Ufer, und zog das Boot an die Sandbank heran.
»Das
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