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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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um so was, woraus ich meine Erinnerungen schöpfe, oder was immer Sie da gemeint haben, oder?«
    »Nein«, sagte er und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf.
    Robard zündete sich eine Zigarette an, blies den Rauch durch die Nase, der durch den Fliegendraht abzog. Er zog seine Wangen bis zu den Tränensäcken hoch, als leuchtete ihm jemand ins Gesicht. »Werden Sie denn nie müde und wollen bloß noch über das nachdenken, was Ihnen gerade in den Kopf kommt?«
    »Ich muß mal jemand anderen fragen«, sagte er. »Sie haben wahrscheinlich sowieso die besseren Antworten.« Er beobachtete Robard und versuchte einzuschätzen, was der sich wohl dabei dachte.
    »Ich hab keinen blassen Schimmer«, murmelte Robard und schaute wieder weg.
    »Erzählen Sie mir was von Ihrer Familie«, sagte er.
    Robard pflückte sich einen Tabakkrümel von der Zunge und schaute in der Finsternis umher, als wollte er nach draußen gehen.
    »Mein Daddy ist tot«, sagte er plötzlich. »Er ist ertrunken, und meine Mutter hat einen Indianer in Sallisaw, Oklahoma, geheiratet. Sie leben unten in Anadarko. Was sonst noch?« Er schnalzte mit den Lippen.
    »Warum hat sie einen Indianer geheiratet?«
    »Sie ist ein Halbblut«, sagte Robard. »Ihr Vater war einer der Osagen, die durchs Öl reich geworden sind. Er hat sich einen großen Maxwell-Wagen gekauft, und dann mußten sie eines Tages mit dem Auto durch den Wald bis nach Arkansas fahren, um ihn vor den Gläubigern in Oklahoma wegzuschaffen.«
    Draußen im Hof zirpten Laubheuschrecken. Er suchte nach irgend etwas, das er sagen könnte, aber ihm fiel nichts ein.
    »Ich hab ein altes Bild von ihnen«, sagte Robard, »wie sie in einem Maultierkarren sitzen, nachdem sie den Wagen verkauft hatten. Danach ist sie in Nordarkansas geblieben, bis mein eigener Vater gestorben ist, oder ums genau zu sagen, bis ich angefangen habe, bei der Eisenbahn zu arbeiten. Sie hat in einer BH-Fabrik in Fort Smith gearbeitet. Und kaum war ich weg, hat sie diesen Indianer geheiratet, der eine Reinigung in Anadarko hatte.« Robard schaute auf seine Zehen, als könnte er das, was er da erzählte, vor sich in der Dunkelheit sehen, die ihn vom Boden trennte.
    »Ihr Vater war kein Indianer, oder?«
    »Er war Deutscher«, sagte Robard und zertrat den Zigarettenstummel mit den Hacken. »Während des Krieges wollten sie ihn sogar oben in Cane Hill ins Gefängnis stecken, zusammen mit ’nem Haufen Japsen, die sie in Fort Chaffee hatten.«
    »Und haben Sie gar keinen Kontakt mehr zu Ihrer Mutter?«
    »Ich will Ihnen mal was sagen«, sagte Robard und schaute eine Weile auf seine Hacken. Er war nur noch eine Silhouette in der offenen Tür. »Sie hatte ihre paar Sachen, um die sie sich kümmern mußte, und ich hatte meine. Sie ist lieb.« Er schmatzte mit den Lippen. »Ich glaube, es würde sie nur nervös machen, wenn ich plötzlich da auftauche. Für mich wäre da kein Platz. Das könnte mich unglücklich machen, und das will ich nicht. Ich versuche lieber, meinen Kram im Griff zu behalten.« Robard drehte sich um und kam wieder zurück in die Hütte hinein.
    »Wieso beantworte  ich  eigentlich immer die Fragen?«
    »Damit wir die gleiche Ausgangsposition haben«, sagte er.
    »Ich bin der einzige, der mich je ernst nimmt.«
    »Das müßte Ihnen doch zu denken geben«, sagte Robard leise. »Aber ich glaube, mich hat auch nie jemand in seinem Leben ernst genommen.«

15
    Mr. Lamb saß brütend am Kopfende eines kurzen Kiefernholztisches, blickte finster durch die Küchentür auf Landrieu und fingerte an einem Glas Whiskey herum. Die mit Fliegendraht umspannte Veranda führte direkt in eine kleine Küche. Es roch nach Bohnen, die in Sirup kochten. Der Farbige stand in der Küche und schaute stirnrunzelnd auf verschiedene flackernde Öffnungen auf einem großen, mit Holz geheizten Herd, tauschte flink Töpfe und Kessel aus und behielt Mr. Lamb im Auge, der da saß und drohend über seinem Whiskey hochschaute. Ein großes Wohnzimmer mit Kieferparkett und einem großen Kamin war weiter unten an der Stirnseite des Hauses gelegen, und durch zwei offene verglaste Korridortüren sah er Mrs. Lamb, die neben dem Kamin saß, an den Knöpfen eines großen silbernen Radios drehte und auf die beleuchteten Einstellskalen schaute, als ob sie hinter jedem winzigen Fensterchen den Horizont eines weit entfernten Landes sähe.
    Mr. Lambs Augen schnellten hoch, und ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Er hatte ein rotes Flanellhemd

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