Ein Stueck meines Herzens
sagte Mr. Lamb, beugte sich drohend vor, mit roten und flackernden Augen. »Was noch?«
»Das Gesetz des Zentimeters«, sagte er. »Das hat mit dem Verbrechen der Sodomie zu tun.«
Mr. Lambs Gesicht wurde schnell aschfahl.
»Es besagt, daß der genitale und orale Verkehr zwischen zwei Männern, oder zwischen einem Mann und einer Frau, absolut verboten ist.« Er warf dem alten Mann einen anmaßenden Blick zu. »Aber oraler Verkehr zwischen zwei Frauen ist kein Verbrechen aufgrund der fehlenden Penetration des Geschlechtsorgans …«
»Mehr will ich davon nicht hören«, sagte der alte Mann, bäumte sich in seinem Stuhl auf, schlug mit seiner harten kleinen Faust auf den Tisch und starrte gleichzeitig alle an.
»Das ist doch unnatürlich, Herrgott noch mal.«
»Im antiken Kirchenrecht wurden Männer dafür gesteinigt«, sagte er. »Aber Frauen wurden bloß ausgepeitscht, was eine tiefe Ungleichheit ist. Was dem einen recht ist, sollte dem anderen doch sozusagen billig sein. Ich bin sicher, Sie werden dem zustimmen.«
»Den Deibel werd ich tun«, kochte der alte Mann. »Das hier ist mein Tisch, und ich entscheide, wem ich zustimme. T. V. A., bring jetzt endlich das beschissene Essen rein, oder ich komme rüber und steck dich in die Pfanne, dann haben wir alle was Besseres zu beißen.«
Landrieu erschien auf der Stelle mit einer Steingutplatte voll geschmorter Eichhörnchen, mehreren Schüsseln mit neuen Kartoffeln, Bohnen und Okra, einer Soßenterrine und einem bernsteinfarbenen Krug Tee. Mr. Lamb beobachtete finster, wie das Essen hereingetragen wurde, als suchte er nach einem belanglosen Vergehen, für das er jeden außer sich verantwortlich machen könne. Mrs. Lamb erschien und setzte sich ans andere Ende des Tisches, während sie alle aufstanden. Landrieu kam zurück mit vier Gläsern voll Eis und beobachtete dann Mrs. Lamb, die den Tisch prüfend anschaute und langsam nickte, woraufhin Landrieu prompt wieder in der Küche verschwand.
»Wo kommen Sie her?« fragte Mrs. Lamb und wandte sich wieder an Robard.
Er beobachtete Robard genüßlich. Robard legte seine Gabel ab, nahm sich Zeit zu schlucken, saß dann da und suchte nach einer möglichen Antwort. Mrs. Lamb roch nach verwelktem Flieder.
»Hewes ist kein großer Redner«, spuckte Mr. Lamb aus, den Mund voller Bohnen und Kartoffeln, »aber der hier ist einer«, und wedelte mit seiner Gabel.
»Aus Cane Hill, Arkansas«, sagte Robard und schaute mißtrauisch in die Runde.
»Was hat er gesagt?« schrie Mr. Lamb. »Auf dieser Seite hab ich mein schlechtes Ohr.« Er verpaßte seinem Ohr einen ordentlichen Schlag und drehte sein funktionsfähiges Ohr dem Gespräch zu.
»Wenn du nicht immer so auf dein Ohr hämmern würdest, Mark, dann würdest du besser hören«, sagte Mrs. Lamb.
»Auf dem hör ich gar nichts mehr«, sagte der alte Mann und sah verdutzt aus. »Vor zwei Jahren hatten wir einen Wirbelsturm, der zwei von Gaspareaus kleinen Baracken weggeblasen hat. Der war so stark, daß ich oben ins Gestrüpp kriechen mußte, damit ich nicht weggeblasen wurde. Und als es vorüber war, konnte ich auf dem Ohr nichts mehr hören.« Er zeigte auf sein Ohr wie auf etwas, das er nie ergründen würde.
»Also, ich glaube«, sagte Mrs. Lamb gebieterisch und schüttete sich Bohnen auf ihren Teller, »daß Mark sein Leben lang alles Mögliche ins sein Ohr gesteckt hat, bis er es kaputtgemacht hat. Es ist doch gar nicht einzusehen, daß ein starker Wind einen taub macht.«
»Außer wenn er’s tut, verdammt noch mal.«
Mr. Lamb runzelte die Stirn und klapperte mit den Zähnen. »Du und Newel, ihr zwei solltet zusammen in die Kirche gehen.«
T. V. A. erschien, sammelte die Whiskeygläser ein und trug sie in die Küche.
»Wissen Sie was?« fragte Mr. Lamb und lehnte sich über sein Essen vor.
»Nein«, sagte er und beobachtete, wie der alte Mann kochte.
»In Arkansas drüben« – Mr. Lamb gestikulierte mit seinem Daumen –, »wissen Sie, was man da tun muß, um Rechtsanwalt zu werden?«
»Nein«, sagte er, löffelte Zucker in sein Teeglas und schaute zu, wie er zwischen den Eiswürfeln hinuntersickerte.
Ein Grinsen stahl sich über den Gummimund des alten Mannes, und er zog sich näher an den Tisch, als ob er zwischen ihnen eine Vertrautheit schaffen wollte. »Sie zwingen einen dazu, zwei Tage in einer Irrenanstalt zuzubringen, bevor sie einem die Zulassung erteilen. Hahaha.« Der Mund des alten Mannes brach auf, sein Gesicht wurde rot und seine Augen
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