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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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zerstört.
    Der Gedanke gefiel ihm gar nicht, daß das, was ihr Leben in einen Hurrikan verwandelt hatte, auch sein eigenes dazu gemacht hatte und daß ihm ein Teil seiner eigenen Existenz entglitten und in den Sumpf des Unkontrollierbaren gesunken war. Auch wenn sonst nichts klar war, dachte er jetzt, das wenigstens  war  klar. Durch Emsigkeit oder Intuition oder einfach schieres Glück hatte er wieder Ordnung in sein Leben gebracht. Und es befriedigte ihn, daß dazu nicht mehr nötig gewesen war als sein eigener gesunder Menschenverstand.
    Sie hatte ihn die Straße nach Marvell, auf Little Rock zu, nehmen lassen, und dann zeigte sie auf eine kleine Schotterabzweigung an der Straße, die zwischen den Bäumen verschwand, und ließ ihn anhalten. Am Ende des Weges, der ins Dunkel führte, erblickte er einen Unterstand aus Pinienholz, der zum Highway hin offen war. Sie sagte, daß sie einen Quarter wollte, stieg aus, ging hinunter, blieb unter dem Häuschen stehen, und er hörte, wie die Münze in eine Blechbüchse fiel, und dann tauchte sie zwischen den Bäumen wieder auf.
    »Was war das?« fragte er, als sie wieder drinnen war.
    »Die Gospel-Nische«, sagte sie, als ob sie annähme, daß er wissen müßte, was das sei.
    »Und was zum Teufel ist das?«
    »Man geht da hin, um für irgendwas zu beten«, sagte sie. »Wann immer man will. Deshalb haben sie’s im Freien aufgestellt.«
    »Und wofür hast du gebetet?« fragte er. Die ganze Sache amüsierte ihn. Er warf noch einmal einen Blick auf den Unterstand und fand, daß die Form an ein Toilettenhäuschen erinnerte.
    »Für meine Seele«, sagte sie.
    »Was fehlt ihr denn?« Er drehte mit dem Pickup, fuhr auf die Straße zurück und schlug die Richtung zur Stadt ein.
    »Nichts«, sagte sie. »Aber sollte ich eine haben, dann möchte ich auch, daß sie in guten Händen ist.«
    »Warum hast du nicht für Robard gebetet?« fragte er, fühlte sich gut und strich mit der Hand an der weichen Innenseite ihrer Beine hoch.
    »Ich habe für ihn gebetet«, sagte sie. »Ich habe für St. Jude einen Quarter gespendet.«
    »Wer ist das?« fragte er.
    »Der für die hoffnungslosen Fälle«, sagte sie. »An der Wand hängt ’ne Liste mit den Heiligen. Ich habe keinen blassen Schimmer von ihnen. Spielt das irgendeine Rolle für dich, welchen ich genommen hab?«
    »Überhaupt keine«, sagte er.
    »Deshalb hab ich’s ja auch getan«, sagte sie.

Teil IV
Sam Newel

1
    Er hörte, wie Robard die Treppe hinunterging, zur Gin Den kam, die Waffe und die Patronenschachtel nahm und wieder verschwand. Irgendwo hinter dem Haus schrie Mr. Lamb nach dem Farbigen, der den anderen Jeep starten sollte, und wenige Minuten später hörte er Robard, der eilig auf dem Weg davonfuhr.
    Er lag da und lauschte den Tropfen, die vor der Hütte aufschlugen. Kurze Zeit später kam der andere Jeep scheppernd ums Haus, und der alte Mann schrie Landrieu etwas zu, auf das Landrieu nicht antwortete. Als der Jeep auf Höhe der Hütte war, hielt der alte Mann an, saß eine Zeitlang still da und brüllte schließlich: »Stehen Sie endlich auf, Sie fetter Sack, oder ich laß Landrieu ein Grab für Sie schaufeln, verdammt noch mal!« Mr. Lamb startete wieder und raste zum See hinunter. Und er lag im Bett, starrte ins metallische Licht hinauf und dachte an Robard und an gar nichts. Nach einer Weile hörte er, wie Robard langsam durch den Hof zurückkam und in die andere Richtung weiterfuhr, und bei jedem dritten Kolbenhub knallte der Motor. Elinor kam an die Tür und blieb stehen, schaute hinein und schnüffelte und ging dann weiter. Und er lag still da und war zufrieden, mit allem nur durch die Geräusche verbunden zu sein, nackt in der Kühle zu liegen und nicht in Mr. Lambs geschwollene alte Augenhöhlen glotzen und sich für jeden Atemzug rechtfertigen zu müssen.
    Robard hatte seine Decken wieder so sorgfältig auf dem Feldbett zusammengelegt, als halte er sich für mehr als einen Tagesarbeiter, der sein Geld bar auf die Hand bekam, und der Gedanke, daß Robard seine Lage falsch einschätzte, ärgerte ihn, und er dachte, daß sich hinter Robards verkniffenem Mund ein Anflug von Sturheit verbarg: er wußte genau, was er wollte, und würde keine Ruhe geben, bis er es auch so hatte. Und er mußte immer wieder denken, daß Robard ihn eines Tages deswegen hängen lassen würde, aus reiner Pingeligkeit, meinte er. Obwohl er ihn gerade deshalb bewunderte, weil er sich eine Art abgegrenztes privates Leben erhalten hatte,

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